Hallo,
was letztlich für einen bestimmten Menschen gut ist, ist natürlich sehr individuell und so kann ich natürlich nicht von mir auf andere schließen. Dennoch denke ich, dass weder zuviel Druck aufbauen noch Pampern eine Besserung der Depression beinhaltet.
Wenn ich länger als 3 Tage mehr oder weniger im Bett liege oder aber im Schlabberlook auf dem Sofa und auch meiner Körperpflege nicht oder kaum nachkomme, dann merke ich bei mir, dass sich dieser Zustand eher verfestigt. Schaffe ich es dagegen, nach langem zähen Kampf mit mir selber, mich anzuziehen und vielleicht sogar die Wohnung für kurze Zeit zu verlassen, dann ist damit sicherlich noch nicht meine Depression beendet, aber ein erster Schritt getan, der zumindest mich ein ganz, ganz, ganz klein wenig besser fühlen lässt.
Mit langem zähen Kampf meine ich, dass ich meist Morgens schon gedanklich mit mir eine "Auseinandersetzung" führe, vielleicht es schaffe am frühen Nachmittag, wenn es gut geht, mich unter die Dusche zu stellen und wenn die Kraft noch dazu langt, mich evtl. am späten Nachmittag oder Abends vor die Türe begebe. Das ist ein enormer Prozess, erfordert viel Kraft, aber wenn ich es geschafft habe, dann ist da auch ein etwas besseres Gefühl da. Schon allein sich vom "körperlichen Mief" zu befreien und in frischen Klamotten zu stecken, hat bei mir schon eine kleine Veränderung in meinem seelischen Zustand bewirkt.
Sogesehen ist eine "Ermunterung" (oder Mut machen) zur Körperpflege in meinen Augen nicht unbedingt verkehrt, da ich für mich herausgefunden habe, dass der "Gammellook" und die auch selbst zur Kenntniss genommenen Ausdünstungen eigentlich die depressiven Gedanken "Ich bin nichts Wert", "Bin nur Müll", "ich kann nichts", "bin nicht liebenswert" eigentlich untermauert werden und daraus die resignative Haltung noch verstärkt: "sieh mich an, wie ich aussehe, bin halt Abschaum, warum soll ich mich halt noch anstrengen, wofür noch waschen, etc. pp".
Bei meinen Klinikaufenthalten wurde meine Depression auch nicht gepampert, ich musste an den Mahlzeiten teilnehmen und dazu auch angezogen sein. Außerdem musste ich auch an verschiedenen Bereichen teilnehmen. Ich würde heute sagen, dass nicht alle Bereiche für mich gut waren, in der Depression, dass es doch mehr an Anpassung an den Menschen bedarf, doch einige Dinge hatten doch positive Effekte erzielt, die ich alleine aber nicht hinbekommen hätte.
Wenn es mir besser geht und mir mehr Kraft zur Verfügung steht, muss ich aufpassen, nicht zu große Schritte zu machen, die evtl. dann wieder in Enttäuschung und in einen Rückfall enden können. Aber es ist dennoch gut, seine wiedererstarkten Ressourcen weiter zu stärken.
Es mag sicherlich noch ein Symptom der Depression sein, wenn trotz mehr Energie der Glaube da ist, dass eh wieder alles in der Depression endet, wenn ich mich anstrenge, aber gibt man diesem Gedanken den Raum, dann ist ein Genesen auch schwer möglich.
Gerade dass ich für mich wieder irgend etwas entdecke, was mir wieder eine Sinnhaftigkeit verleiht, hilft mir, wieder stabil zu werden.
Akzeptieren, dass ich immer wieder in Phasen gerate oder geraten kann, ist für mich auch wichtig, es fördert dann den Umgang damit, zum Beispiel die Dinge zu finden, die mir gut tun, die Dinge zu finden, die für mich eher kontraproduktiv sind und die Dinge zu finden, die für mich Hilfen darstellen, wenn ich wieder in einer Depression bin. Und ganz wichtig für mich, dass ich zwischen meinen Depressionen die stabilen oder auch "nur" besseren Zeiten nutze und schätze und somit die "gesunden" Anteile fördere.
Es ist denke ich sehr schwierig auch für Angehörige den Grad herauszufinden, der zwischen "pampern" , alles hinnehmen und abnehmen sowie Druck aufbauen liegt. Und vielleicht muss ein Angehöriger auch mal schmerzlicher Weise feststellen, dass man jemandem nicht helfen kann, der selbst nicht dazu bereit ist. Manche haben sich darin auch eingerichtet, mal ganz wertfrei gesprochen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
4-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.03.16 17:53.