Re: HILFE!

bettina
07. 04. 2002 20:33
liebe katharina,

ich bin selbst erst seit zwei tagen im forum, zum glück,
da ich hier echte leidgenossen und auch freunde gefunden
habe.

ich möchte Dir ein bißchen von meinem weg erzählen, vielleicht kannst Du dem was für Dich abgewinnen.:

wenn ich heute zurückblicke, war ich schon als kind ein wenig "anders", meist in irgendwelche phantasiewelten
abgetrifftet, hatte zwar kein problem freunde zu finden,
doch hielten diese nie lange, weil ich immer wieder phasen
hatte, in denen ich mich völlig von der welt um mich abkapselte. meine pubertätszeit war ebenfalls schwierig,
obwohl scheinbar sehr intelligent, vorallem musisch begabt,
war ich schulisch immer am durchfallen, was dann auch tatsächlich passierte, weil ich mich ein halbes jahr aus-
klinkte, um einer art sekte beizutreten, eine erste liebe
hat mich zum glück wieder da raus gerettet, kurzum, trotz repetierens hab ich irgendwie die matura geschafft. während meines studiums, für das ich aufgrund diverser depressiver phasen, damals begann auch meine essstörung,
unendlich lange gebraucht habe, ich war damals
ebenfalls ungefähr im alter Deines bruders, fing ich an
- phasenweise - mir die nächte um die ohren zu schlagen,
trank sicher unmengen an alkohol, vorallem dann, wenn ich
wiedermal nicht schlafen konnte, dabei völlig überdreht war. irgendwie hat mich das beruhigt. später, mein körper
hatte sich wahrscheinlich bereits an den alkohol gewöhnt,
fing ich auch an beruhigungsmittel dazu zu nehmen, nur um irgendwie zur ruhe zu kommen. in phasen der depression, war
mir alkohol oft ein "freund", der mich bei selbstmordgedanken so betäubte, daß ich oft gar nicht mehr
fähig war dazu. das schlimme an dem ganzen war, daß ich tatsächlich davon abhängig wurde, weil egal, in welcher phase ich mich befand, ich glaubte ihn zu brauchen.

ich versuch mich so kurz wie möglich zu halten und erspar mir jetzt weitere ausführungen. vor drei jahren schließlich
ist alles eskaliert. ich wollte beinah täglich nur mehr sterben, ich trank, nahm dazu medikamente, meine esstörung war am höchstpunkt und meine wahnvorstellungen wurden durch den scheiß (tschuldigung) alkohol noch schlimmer. mein körper war schließlich so schlapp, ausgezerrt und müde, daß ich ohnehin nicht mehr lange gelebt hätte. doch, noch immer war ich nicht einsichtig, das was mir schließlich das leben gerettet hatte, war die härte meines mannes. er entzog mir seine zuwendung und zwang mich schließlich durch die androhung der scheidung auf entzug zu gehen. rein körperlich war der nicht so schlimm, doch psychisch war´s eine kathastrophe.
wie auch immer, was mir damals geholfen hatte, und ich sage
zu diesem zeitpunkt war´s der weltuntergang für mich, war
also, daß sich die wenigen mir nahe stehenden menschen von mir A B G E W A N D T hatten. erst dadurch war oder wurde ich fähig zu begreifen, daß ich hilfe brauchte.

und ich schaffte es nach fast dreimonatigem entzug loszu-
kommen. natürlich machte diese sucht es beinahe unmöglich,
diverse andere störungen bei mir überhaupt festzustellen.
sprich, egal unter welcher dieser ein mensch leidet, gefährliche süchte wie drogen und oder alkohol überdecken diese, und in erster linie müssen diese suchterkrankungen abgebaut/abgelegt werden, erst dann tritt die eigentliche störung in den vordergrund. bei mir beispielsweise war, soweit ich das beurteilen kann, jahrelang alles auf einmal überlappend vorhanden. nach also der bekämpfung dieser sucht, trat bei mir die esstörung wieder vehementest in den vordergrund.
und erst jetzt, wo ich diese zumindest so halbwegs im griff habe tritt das eigentliche wieder intensiver in erscheinung. wenn man also diese beschriebenen jahre ausklammern würde, geht es mir jetzt wieder so wie zuvor,
leider sogar einigermaßen verschärft, im sinne von depressiven phasen, todessehnsucht, oder übertriebenen, manchmal leider mit wahnvorstellungen verbunden phasen. aber ich trau mich zu behaupten, daß in erster linie süchte behandelt werden müssen, um erkennen zu können, was da noch so alles dahinter steckt.

das schlimme ist, daß alkoholiker ebenfalls oft zuviel reden, verwirrt, oft sentimental, auch depressiv sein können.
und alkoholismus ist,wie jede form der sucht eine genauso ernst zu nehmende krankheit.
mit agressivität in kombination kenn´ ich mich nicht aus,
das hatte ich nie. auch kenn´ ich nicht diese form der
schuldzuweisung, wie es Dein bruder macht, im gegenteil.

mein rat für Dich, liebe katharina (und es ist lediglich eine meinung einer person) ist, schütz´ Dich vor seinen
angriffen, blocke das ab, alkoholismus ist kein vorwand, um sich alles erlauben zu können und die einzige hilfe, die
D U ihm vielleicht jetzt geben kannst, ist, ihm zu helfen,
sich selbst zu helfen, oder helfen zu lassen. indem Du ihn in seiner sucht nicht deckst, indem Du Dir seine flausen nicht gefallen läßt, das muß ja keineswegs bedeuten, ihn fallen zu lassen, das "aktive" gespräch suchst, ihn auf dieses und vielleicht andere foren aufmerksam machst, ihm
verständlich machst, daß er, wenn er sich helfen läßt, mit
Deiner unterstützung und liebe rechnen kann.

und zum schluß sag ich noch etwas, das womöglich sehr hart
klingt, im zusammenhang mit sucht aber leider oft sehr wahr ist: vielleicht geht es ihm noch nicht schlecht genug,
daß er einsichtig werden kann.

jedenfalls, meist ist es auch für angehörige sehr wichtig,
daß sie selbst an therapeutische unterstützung denken.

viele liebe grüße, bettina
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

HILFE!

Katharina 738 07. 04. 2002 04:28

Re: HILFE!

Torsten 221 07. 04. 2002 11:46

Re: HILFE!

Katharina 229 09. 04. 2002 04:13

Re: HILFE!

W.G. 257 07. 04. 2002 12:17

Re: HILFE!

Katharina 227 09. 04. 2002 04:08

Re: HILFE!

bettina 312 07. 04. 2002 20:33

Re: HILFE!

Michael 212 09. 04. 2002 09:40

Re: HILFE!

bettina 228 10. 04. 2002 01:24

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Michael 228 10. 04. 2002 07:46

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bettina 215 10. 04. 2002 21:27

Re: HILFE!

Michael 236 10. 04. 2002 22:20

Re: HILFE!

Katharina 212 11. 04. 2002 15:00

Re: HILFE!

bettina 327 17. 04. 2002 17:31



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