Hallo Katharina,
hast vermutlich lange hier im Forum gelesen, bis Du über Deinen Bruder geschrieben hast (4.28 Uhr). Es ist sehr schwer, Deinem Bruder zu helfen, solange er nicht dazu bereit ist, sich von einem Arzt helfen zu lassen. Ob es eine manisch-depressive Stöhrung ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Da sind sich selbst Fachleute manchmal unsicher. Das Problem wird hier ja außerdem durch Alkohol weiter verstärkt. Ob da etwas in seiner Kindheit unbemerkt negative Auswirkungen hinterlassen hat, kann nur ein Psychotherapheut herausbekommen. Dagegen behandelt ein Psychiater die Symptome mit Medikamenten.
Der Weg zum Arzt (und ich denke es sollte ein Psychotherapheut sein) ist außerordentlich schwer, aber es ist meiner Meinung nach die einzige Möglichkeit, Deinem Bruder zu helfen. Ob er Euch immer wieder angreift aus Verzweifelung oder auch aus Rache einer sich im eigenen Leben nicht erreichten Erwartungshaltung - das sind alles Spekulationen.
Zur Aussage, dass nur Dumme zum Psychotherapheut/ Psychiater gehen, da kannst Du versuchen, dieses falsche Bild zu korregieren. Es sind vermutlich sogar vermehrt intelligete und kreative Menschen, die an der Psyche erkranken. Habe mich selbst dabei ertappt, die anderen Patienten im Wartezimmer zu beobachten, ob sie sich in irgendeiner Form auffällig verhalten. Fehlanzeige - nichts von außen zu erkennen!
Habe selbst leider auch erst eine starke Psychose mit einem 6-wöchigem Aufenthalt in einer Klinik erleben müssen, bis ich den ersten Kontakt mit einem Psychiater hatte. Dabei bin ich vermutlich schon etwa seit 1990 leicht manisch-depressiv - hatte immer alles auf den aktuellen Zustand meiner Firma geschoben. Wenn es der Firma schlecht ging, dann hatte ich Depressionen - bis zu Selbstmordgedanken. Ging es der Firma gut, dann flog ich teilweise über den Wolken.
Dass man nicht bereit ist, zu einem Psychotherapheuten/Psychiater zu gehen, da hat wohl das negative Image der psychischen Erkrenkungen schuld - es wird oft psychisch krank und "verrückt" auf eine Stufe gesetzt. Das ist keinesfalls so, eine Vielzahl an psychisch Kranken leidet an Depressionen, und sehr viele manisch-depressive werden auch in der Gesellschaft nicht auffällig. Sie erscheinen vor anderen teilweise als sehr selbstbewußt, können sogar manchmal andere motivieren.
Die Manie setzt meiner Vermutung nach die Hemmschwellen etwas herab. Auch in einer Manie werden die inneren Verhaltensmuster beibehalten, d.h. wenn ein Mensch von seiner Erziehung her kein agressiver Typ ist, dann wird er auch in der Manie niemanden angreifen. Ich habe auch in der Psychose keine Gewalt auf andere ausgeübt. Insbesondere wenn man einem Kranken gegenüber Vertrauen signalisiert, wird er sehr wahrscheinlich nicht mit Gewalt antworten. Die verbale Gewalt kann auch versteckte Hilflosigkeit sein.
Wenn Dein Bruder davon redet, daß er schon mit 18 hätte Millionen verdienen können, dann könnte es wohl auch damit zu tun haben, dass bei Euch der Familienbetrieb immer eine zentrale Rolle gespielt hat. Er wollte gern den Vater übertreffen und nicht nur unter ihm arbeiten! Das läßst eine Vater-Sohn-Konflikt vermuten... Aber das sind schon wieder Spekulationen. Es sollen auch von mir nur erste Vermutungen sein, viele psychischen Erkrankungen haben ihre Ursachen in der Verarbeitung von bisherigen Lebensumständen. Die Anlagen zur manisch-depresiven Störung sind nach heutigem Wissenstand erblich, der Ausbruch ist in der Regel abe an konkrete Ereignisse der Umwelt gekoppelt.
Fazit: Es wäre schon ein großer Schritt, wenn sich Dein Bruder von Dir oder einer anderen Person seines Vertrauens davon überzeugen lässt, zum Arzt zu gehen. Mehr ist zur Zeit kaum möglich. Manche finden auch zuerst den Weg in dieses Forum und lassen sich dann durch andere Betroffen überzeugen, dass ein Arztbesuch erforderlich ist...
Viele liebe Grüße
Wolfgang G.
