lieber matthias,

bei der ersten manie mit 28 jahren, hat es mich sehr hart getroffen und es dauerte 2-3 monate um halbwegs wieder im leben fuß zu fassen. ich habe nächtelang nicht geschlafen, hatte wahnvorstellungen, fühlte mich auserwählt und ging an meine körperlichen grenzen. als ich merkte, daß ich mir selber nicht mehr helfen kann, rief ich meine schwester an, die psychoanalytikerin ist und teilte ihr mit, daß ich hilfe brauche. ich kann mich noch gut erinnern, daß ich ihr sagte, weil ich angst hatte vor der psychatrie, daß ich ein "ausgewähltes menü" haben möchte. am nächsten tag, nach einer von vielen durchwachten nächte (konnte mein gehirn nicht mehr abschalten) brachte sie mich zu einem psychater. ich hatte unheimliches glück, da ich sehr ängstlich war, daß ich zu diesem vertrauen fassen konnte. er hat mich behandelt mit semap, haldol und all dem. meine augen haben nur mehr geflattert und ich war körperlich in einem sehr bedenklichen zustand.
diese mittel wirkten alle dämpfend und ich konnte endlich wieder schlafen. ich hatte weiterhin angstzustande, versagensängste,.....es hat ein weilchen gedauert, bis ich mich soweit auf der reihe hatte ein normales leben zu führen.
danach hatte, habe ich ein bis zweimal jährlich eine manie, die diagnose stimmte von anfang an. ich war der manie immer ausgeliefert, bis ich ihre gemeinsamkeiten herausfand.

"sie kommt immer leise, auf die gleiche weise, aber in unterschiedlicher verkleidung". ich baute mir ein inneres arlam-, radarsystem auf, um ihre tricks zu entlarven und mich rechtzeitig, weil dann nicht so heftig, zu behandeln.
ich checke ab, welches "normal anerkannte realitäten" sind und welche "von meinem kopf konstruierte" - mache einen soll-/ist vergleich. die erfahrung daß die im kopf konstruierten nicht unbedingt den real-anerkannten wirklichkeiten entsprechen, macht ja jeder in der psychose, ich halte allerdings nicht daran fest und bin auch sehr oft dankbar, daß die realität eine andere ist.
als manikerin ist man nähmlich zunehmend überfordert, wenn alles plötzlich ganz wichtig ist.
ich bin zwar weiterhin davon überzeugt, daß es realitäten gibt, die sich einer bipolaren bewertung entziehen, oder über das "anerkannte normale" hinausführen, aber ich lebe trotzdem in dieser welt und meinem geist sind zumindest die körperlichen grenzen gesteckt.

aus rein biologischer betrachtungsweise führe ich in akuten fällen stoffe zu, die meine natur nicht kennt. was bei einer manie geschieht ist folgendes. aus einer sensibilität heraus, kenne ich zeiten wo die neurotransmitterübertragung schneller funktioniert, als bei den "normalen". die haben bandbreiten, die die übertragungsgeschwindigkeit der übermittlung von information innerhalb gewisser grenzen passiert. diese stoffe fehlen mir - darum führe sie ich in akuten phasen zu.

mlg, tina