Dieses Mal empfehle ich kein Buch, sondern einen lesenswerten Artikel
des Psychiaters und Schriftstellers Jakob Hein
"Finde die Lücke"
Auszug aus dem Artikel:
Heute stapeln sich die Krisen auf- und übereinander, bedingen und verstärken einander.
Umweltkatastrophen führen zu Hunger, Hunger führt zu Kriegen, Kriege führen zu Um-
weltkatastrophen.
Es ist eine verführerische Idee, einfach daran zu verzweifeln.
... denn das Verzweifeln bestätigt sich selbst und bekräftigt alle Verzweifelnden in ihrem Nichtstun.
Und wenn man nur mit wachem Blick das Internet durchsucht, finden sich immer genügend Gründe zum Verzweifeln.
Die Algorithmen funktionieren so, dass diese Bestätigungen immer schneller und gründlicher geliefert werden. Und
dann kann man auch noch recht damit haben, die Hoffnungen anderer damit niederwalzen und sich mit anderen Verzweifelnden gegenseitig zu bestärken.
Daraus bezieht man zwar keine Kraft, aber immerhin zieht man andere mit zu sich herunter, was zu einer Art Bestäti-
gungsgefühl führt. Das Internet kann eben auch als "Selbstbestätigungsgruppe Destruktivität" genutzt werden.
Nur, der Welt oder uns werden wir damit so sicher nicht weiterhelfen.
Es ist gut, wenn jede und jeder von uns etwas zu tun versucht. Die eine Sache, die er oder sie nur heute gegen diese
oder jene Krise unternehmen kann, ist eine Sache mehr, die nicht ungetan blieb. Deren Vielzahl macht uns zu Akteuren
der Hoffnung und befreit uns von der Rolle als Zuschauer der Katastrophen.
Kann sein, dass es trotzdem nicht reicht, aber es tut uns und anderen sicher gut.
Quelle: Magazin chrismon plus Ausgabe 11/2022
(noch nicht im Archiv - zu einem späteren Zeitpunkt dort online nachzulesen)