Hallo Cornelia,
zugegeben, der Titel "(M)ein Weg aus der Unheilbarkeit" ist ungeschickt gewählt. Anscheinend ist dieser Text mal in einer Zeitung/Zeitschrift erschienen, nach dem Layout zu urteilen, so dass ich nicht weiß, ob dieser Titel vom Autor selbst stammt oder als Teaser für die Veröffentlichung herangezogen wurde.
Der Titel spielt auf das Buch von Amering und Schmolke veröffentlichte Buch "Das Ende der Unheilbarkeit" an, wo beide Autorinnen anhand vieler Studienergebnisse die Unheilbarkeitsthese von z.B. Schizophrenie aushebeln. Nicht jeder der die Diagnose Schizophrenie bekommen hat ist auch tatsächlich cronisch unheilbar daran erkannt. Vielmehr gibt es verschiedene Verläufe und einige sind heilbar.
Aber das Buch und weitere Bücher, die am Ende des persönlichen Berichts aufgelistet sind, klären ebenfalls über die Begriffe Recovery und Empowerment auf. Hierbei geht es um ein persönliches Wachstum. Und gerade dort wird erklärt, dass zur persönlichen Recovery keine "Heilung" oder völlige "Symptomfreiheit" nötig ist. Es beschreibt eher, wie es trotz seiner Handicaps gelingen kann, wieder ein Leben in Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und mit mehr Lebenszufriedenheit hinzubekommen.
Dabei geht es um die eigene Einstellungen und Haltungen, um ein anderes Betrachten. Statt hauptsächlich die Defizite zu betrachten, geht es eher um die eigenen (aber auch von außen kommenden) Ressourcen die man hat und die man versucht zu stärken. Statt sich nur um diese "Krankheit" zu drehen, geht es auch darum, sich wieder in anderen Rollen und Möglichkeiten wahrzunehmen.
Medikamente können da genauso eine Rolle spielen, wie eben Achtsamkeit, Trauerarbeit, wieder einen Sinn im Leben finden, Neubewertung und vieles mehr. Hier geht es also nicht um ein Entweder-Oder, sondern um ein sowohl als auch.
Übrigens kann man soetwas auch nicht verordnen, dazu muss jeder selbst bereit sein. Es gibt dazu auch keine Checkliste, die man abarbeiten kann. Es gibt nur fördernde Recoveryhaltungen auch vom Umfeld, die das unterstützen können. Und jeder Weg sieht anders aus und ist vollkommen individuell.
Soviel zu Theorie. Mir haben Medikamente durchaus auch geholfen, aber ich wäre heute nicht annähernd soweit, wenn sich bei mir oder besser gesagt in mir, nicht eine andere Einstellung und Sichtweise eingestellt hätte. Denn Symptomfrei war ich auch mit den Medikamenten nicht.
Es bedeutet auch nicht, dass dieser Weg gradlinig ist, dass es keine Krisen mehr gibt, aber evtl. bewertet man seine Krisen anders, geht anders damit um. Seit dem ich versöhnlicher mit meinen Phasen umgehe scheinen Sie bei mir (bisher jedenfalls) auch sich nicht mehr so stark (Monate bis Jahre) einzunisten. Ich komme schneller wieder da raus. Insgesamt fühle ich mich mit einer anderen Betrachtung, Herangehensweise und Haltung lebenszufriedener.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
2-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.02.19 00:28.