Hallo,
sicherlich sind einige Worte auch Hip geworden und die Vermarktung dieser Worte bringt einigen auch Kohle ein, durch diverse Kurse. Aber ist deshalb Achtsamkeit schlecht?
Als ich meinen Job durch meine Krankheit verlor, war es nicht nur deshalb schlimm, weil ich einen Job verlor, an dem ich hing, den ich gern mochte, sondern unter anderem auch weil ich im Denken diesem Leistungsprinzip anhaftete. Ich fühlte mich nichts mehr wert ohne Vollzeit-Job.
Ebenso ging es mir mit meiner Harmoniesucht. Nein-Sagen und dann ggf. blöde Blicke ernten oder sich Fragen und Diskussionen stellen, das war mir ein Graus. Wusste ich eigentlich wirklich, was meine Bedürfnisse waren? Was ICH eigentlich wollte? Nein, das wusste ich eine ganze Zeit lang nicht und manchmal auch heute nicht immer. (Ergänzung) Dann wunderte ich mich, dass ich das Gefühl hatte, immer den Erwartungen der Anderen hinterherhächeln zu müssen. Ich sagte mal Sinngemäß: "Ich weiß nicht, wie andere meinen wie ich leben soll". Mein Blick war also immer eher nach außen gerichtet.
Manchmal nehme ich mir Ziele vor, weil "man" dass doch schaffen müsste und hole mir nur Frust ein, wenn ich an dieser eigenen (? ist eben die Frage) Messlatte scheitere.
Achtsamkeit bedeutet für mich also, erst mal zu wissen, was sind meine Bedürfnisse, wo sind MEINE Wünsche und wo sind meine eigenen Grenzen. Was tut mir gut und was sind die Punkte (ob Tätigkeiten, Gegebenheiten oder Personen), die eher Energie fressen, aber keinen wirklichen Mehrwert bringen.
Im Grunde ist Achtsamkeit auch sowas wie gesunder Egoismus. Dies bedeutet nicht, dass mir dies heute stets gelingt, mir ist es aber bewusster geworden. Und nur weil einige findige Leute überall "Achtsamkeit" dranheften und es plötzlich Hip ist, ist es für mich deshalb nichts schlechtes. Es hat weiterhin seinen Wert für mich.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
3-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.02.19 21:18.