Stimmungskalendar

14. 08. 2023 18:23
Liebe Forum-Teilnehmer,

in 2021 habe ich das Konzept des "Stimmungskalendars" entdeckt. Dieser Ansatz wird sehr oft in Kliniken empfohlen. Auch die DGBS hat eine Vorlage im Web dafür veröffentlicht. Einige Vorteile des Stimmungskalendars werden von der DGBS genannt:

Quote
DGBS Webseite
Durch die täglichen Einträge ist man gezwungen, sich mit der eigenen momentanen Verfassung auseinanderzusetzen und kann so eventuelle Frühwarnzeichen besser erkennen. Oft wird einem erst mit Blick auf die zurückliegenden Aufzeichnungen klar, dass man sich zu einer bestimmten Zeit über oder unter der "Normallinie" befand. Auch für die behandelnden Ärzte sind präzise geführte Stimmungskalender sehr hilfreich, denn sie können damit die Entwicklung seit dem letzten Arztbesuch gut nachvollziehen.

Ich habe weitergeforscht, und bin auf dem Verein "Bipolar UK" gestoßen. Bipolar UK hat auch eine Vorlage für ein Stimmungskalendar, und hat auch eine sehr interessante Skala (mood scale) die Symptome zur Phase der Bipolare Störung zuordnet. Die Stimmung wird auf einer Skala von 0 (depressiv) bis 10 (manisch) bewertet.

Es gibt natürlich auch mehrere Apps die es ermöglicht, das Stimmungskalendar elektronisch zu führen.

So weit so gut. Ich habe ein solches System für mich aufgebaut. Ich kombinierte die Struktur der DGBS-Version mit dem "mood scale" von Bipolar UK. Über 2 Jahre habe ich meine Stimmung akribisch protokolliert. Ich habe gelernt, meine Stimmung zwischen "0" und "10" zu bewerten. Ich strebte nach dem "stabilen 5". Einziges Problem: mir ging es nicht besser. Ich konnte nur hilflos beobachten, wie sich meine Stimmung sich veränderte. Ich konnte mein rapid-cycling gut dokumentieren. Helfen hat das aber nicht.

Dieses Jahr als ich bei einer Tagesklinik anfing, hat mich der Oberarzt angeraten, das Stimmungskalendar zu lassen. "Das ist nicht richtig für Sie" hat er gesagt. Nach einigen Wochen Reflektion ist mir klar geworden, was er gemeint hatte. Das Stimmungskalendar, und vor allem die "mood-scale" haben (mindestens) einen großen Nachteil: Wenn ich meine "Stimmung" im Kontext von "manisch" und "depressiv" bewerte, also zwischen "0" und "10", dann führt es dazu, dass jegliche Emotionalität der Erkrankung zugeordnet wird. Angst oder Traurigkeit z.B. werden mit "Depression" assoziiert. Heiterkeit und Lebenslust mit "Manie". Ich darf so keine Emotionalität erleben, ohne "Krank" zu sein.

Ich führe seit 3 Monate keine Stimmungskalendar mehr. Ich dokumentiere nur mein Schlaf und mein Bewegungsprofil, beide können über mein Smart-watch abgelesen werden und haben so keine Subjektivität. Es lebt sich auf jeden Fall leichter.

Es wäre schön andere Meinungen/Erfahrungen zu diesem Thema zu lesen. Ich möchte nicht sagen, dass ein Stimmungskalendar an für sich verkehrt ist. Wollte aber auf die Risiken und Nebenwirkungen aufmerksam machen.

Liebe Grüße,

midway

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Männlich geb. 1970 Diagnose 2004

Lithium 900mg
Lamotrigin 200mg
Sertralin 100mg
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This is your road.
Only you
will take it. And there's no
turning back.

-Olav H. Hauge



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 14.08.23 18:27.
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Stimmungskalendar

midway 796 14. 08. 2023 18:23

Re: Stimmungskalendar

turtle 147 14. 08. 2023 18:56

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fahni 353 15. 08. 2023 19:03



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