Hallo,
Ich habe heute gezählt: seit Januar 2020 habe ich 12 psychiatrische Entlassungsbriefe von verschiedenen Kliniken erhalten. Die letzten Jahren waren sehr schwer, zwei davon mit Rapid-Cycling. Heute sind es genau 3 Monate, seitdem ich überhaupt Krankheitssymptome hatte. 3 ganze Monate Gesundheit!
Ich bin für jeden Tag dankbar, an dem ich gelassen aufstehe und gelassen wieder ins Bett gehe. Mir ist klar, dass es morgen wieder anders sein kann. Ich bleibe einfach bei meiner neuen Medikation und habe meinen Alltag so weit organisiert, dass ich verantwortlich mit der Erkrankung leben kann, so weit es geht. Ich werde über eine Reha-Maßnahme langsam das Thema Arbeit wieder annähern.
Mir geht es erstmal besser. Aber was ist mit meiner Familie, die mich durch die schweren Zeiten getragen hat? Meine Kinder, die es immer wieder erleben mussten, dass Papa in die Klinik muss. Meine Ehefrau, die die ganze Verantwortung für Kinder, Haus, Hund usw. übernehmen musste. In dieser Zeit hat meine Ehefrau auch Krebs. Als sie die Chemotherapie durchgekämpft hat, lag ich zeitweise in der Psychiatrie.
Ich habe meine Therapie gemacht, die Familie bekommt aber keine richtige Unterstützung. Ich habe mich verändert, die Familie zwangsläufig auch, aber wir haben uns erstmal ehe auseinander entwickelt. Wie wächst man wieder zusammen ? Wie ist die neue Familienstruktur und die neue Rollenverteilung ? Fragen, die mich im Moment sehr beschäftigen.
Mit meinen Kindern (13J und 15J) geht es einfacher. Die freuen sich, dass Papa wieder da ist, und dass man mit ihm nun mehr unternehmen kann als vorher. Mit meiner Frau ist es schwieriger. Sie musste über eine lange Zeit die volle Verantwortung für die Familie übernehmen. Jetzt soll sie auf der einen Seite Verantwortung wieder abgeben, auf der anderen Seite mich als Partner wieder akzeptieren und vertrauen. Das wird Zeit brauchen. Dazu kommt natürlich das Risiko einer neuen Krankheitsepisode.
Wir gehen heute liebevoll miteinander um, aber ich spüre es, dass dieses Urvertrauen in der Beziehung und mir noch fehlt. Ich habe viel Geduld und bin zuversichtlich. Meine Frau hat mir vor kurzem gesagt: "egal was kommt, wir bleiben immer eine Familie". Ich bin unendlich dankbar für ihre Stärke und ihre Liebe. Bin aber sehnsüchtig auf "uns".
Mich würde es interessieren, wie anderen eine solche Situation erlebt haben, und vielleicht zu erfahren was euch geholfen hat wieder vertrauen aufzubauen.
Liebe Grüße,
midway
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Männlich geb. 1970 Diagnose 2004
Lithium 900mg
Lamotrigin 200mg
Sertralin 100mg
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This is your road.
Only you
will take it. And there's no
turning back.
-Olav H. Hauge