Ich hab vor Jahren mein Spiegel-Abo gekündigt. Weil ich nach der Lektüre nie einschlafen konnte und die Weltrevolution plante. Es gibt Zeiten, da kann ich mich nicht für Politik interessieren, weil es mich fertig macht.
Die Politik in meinem nächsten Umfeld ist aufregend genug. Ich wohne in einem Viertel, das als alternativ gilt. Die Alternativen halten sich selbst für weltoffen und tolerant. Murhahahaha... wenn man sich zu bunt gekleidet in die Gasse mit den ehemals besetzten Häusern begibt, erntet man gleich böse und misstrauische Blicke. Bin sogar schon mal als Polizeispitzel enttarnt worden. Ich füge mich nicht.
Meinem Chef zu sagen, dass er mir aufhören soll zu erzählen, er verdiene an unserem Laden nichts, während er schön den Kredit abbezahlt, scheint politisch und rebellisch genug, so deute ich die ungläubigen Gesichter, wenn ich davon erzähle.
Ich kann mir doch auch keine Eigentumswohnung kaufen, meinen Lohn der Bank überweisen und dann rumerzählen, mein Chef zahle mir keinen Lohn. Hat gesessen beim Chef.
Ich bin auch dafür bekannt, dass ich rigoros Partei für Menschen ergreife und mich solidarisch zeige, bei denen jeder die Hände hebt und ruft: "Selber schuld! Er/Sie passt sich ja nicht an, da muss er/sie sich nicht wundern, wo kämen wir da hin, wenn jeder so..." Da Rückgrat zu beweisen und vom Schützling nicht brave Gefolgschaft und endlose Dankbarkeit zu erwarten, ist das politisch? Ich weiss es nicht. Es ist anstrengend. Aber es ist gut, sich zu positionieren. Ganz klar zu positionieren. Was mir manchmal schwer fällt, weil Intelligenz und Sensibilität mir ermöglichen (und auferlegen!), alle möglichen Standpunkte nachzuvollziehen und einnehmen zu können.
Was für ein zäher Kampf! Aber über die Jahre hat es sich gelohnt. Mein Küchenchef führt keine Mitarbeitergespräche mehr ohne mich. Momentan geht es um eine Kandidatin, die mit ihrem unbehandelten ADHS die Küche regelmäßig ins Chaos stürzt. Ich sprach deutliche Worte, das kann ich hier nicht wiedergeben, denn es waren viele Worte. Und dann sagte Küchencheffe zu der ärmsten: Du willst doch immer, dass wir ehrlich sind. Und Sumosimi verkörpert das in diesem Laden wie kein anderer, Sumosimi kann gar nicht anders als ehrlich sein.
In der Weltpolitik kann ich nichts bewirken. Aber in meinem nächsten Umfeld.
Manchmal sag ich: "Geld, Geld, ihr immer mit euerem Geld! Geld existiert gar nicht, Geld ist nur Papier und was heisst hier, beim Geld hört die Freundschaft auf? Vielleicht fängt sie ja auch beim Geld erst an?
Manchen ist das schon revolutionär genug.
Sumosimi
Taat du nee borom djogol, so djoge mu topola.