Re: Neu hier als Angehörige und eine Frage

11. 05. 2017 22:31
Hallo Petra,

zuallererst, auch von mir die Bestätigung, dass deine Vorgehensweise vollkommen richtig war
und viele Angehörige diesen Schritt eher zu lange hinauszögern.
Bei einer akuten, schweren körperlichen Krankheit würdest du dir da im Nachhinein auch keine großen Gedanken mehr machen.
Das was du erlebst kenne ich wie gesagt auch, sowohl durch Manien, aber auch durch Depressionen ausgelöstes Chaos.
Du wirst auch Ratschläge bekommen, die in die Richtung "Hilfe durch Nichthilfe" gehen, davon halte ich aber nicht viel, es mag Fälle, Verläufe und Zeiträume geben bei denen dieses "helfen durch nicht helfen" ansteht, aber soweit seid ihr wohl noch nicht, da dein Bruder, wenn ich es richtig gelesen habe auch längere stabile Zeiten hatte und bestimmt auch wieder haben wird.
Das heißt aber nicht, dass nur Familienmitglieder unterstützen können oder sollen, dass ihm alles unangenehme abgenommen wird.
Sonst bleibt ihr auf der Strecke und könnt gar nichts mehr für ihn tun.
Familienmitglied bleiben, nicht zum Ersatz-Arzt, Pfleger oder Sozialarbeiter werden, sondern von Anfang an selbstbewusst professionelle Hilfe radikal einfordern. Es bleibt, akut, auch so genug zu tun und zu helfen.

Als erstes würde ich versuchen herauszufinden, was jetzt am wichtigsten ist und keinen Aufschub mehr duldet.
Die Wohnung versuchen zu erhalten.
Dann unbedingt von der Klinik die Bescheinigung über den Aufenthalt ausstellen lassen (wird statt Krankmeldung/ AU-Bescheinigung ausgestellt) und zwar wenn es geht
in mehrfacher Ausführung, passierte bei uns letztens zufällig und hat sich als sehr wertvoll herausgestellt.
Eine davon schnellst möglich dem Arbeitgeber zukommen lassen, damit sie ihm nicht fristlos kündigen und ihm sämtliche Sozialleistungen erhalten bleiben (Krankengeld, Rente etc.).
Erst mal keinerlei Forderungen Dritter, die vielleicht an euch herangetragen werden, freiwillig bezahlen.

Das mit dem öffnen von Briefen, Mahnungen und Inkassobescheiden ist knifflig, es ist ganz schwer die Persönlichkeitsrechte des Angehörigen nicht zu verletzen und trotzdem größeren Schaden abzuwenden.
Wir konnten unseren Sohn bisher immer überzeugen, z.B. im Gespräch bei Besuchen in der Klinik, dass diese Post geöffnet und gelesen werden muss, weil wir ihn vor größeren finanziellen Katastrophen schützen wollen.

Natürlich muss man sich in so einer Situation manchmal "nackig" machen und mit offenen Karten spielen.
Sachbearbeiter einfach mal anrufen und um Stundung der Schulden bitten, Inkassoverfahren stoppen und auf Eis legen lassen bis die akute Krankheitsphase vorbei ist.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn man anruft und erklärt wie es aussieht und dann eine von den mehrfach ausgestellten Klinikbescheinigungen mit der Bitte um Aufschub hinterherschickt,
man durchaus auf Verständnis treffen kann.

Und wie schon Sumosimi schreibt, gibt es in der Regel in der Klinik Sozialarbeiter die
euch und ihn, mit der nötigen Distanz beraten können.
Die Wohnung würde ich soweit instandsetzen, dass wenn er wieder entlassen wird, bis dahin womöglich schwer depressiv,
er in halbwegs menschenwürdiger Umgebung gesunden kann. Aber nur soweit, dass er noch sieht wie
total ver-rückt seine Wahrnehmung und wie schwer krank er war.
Also verdorbene Lebensmittel, Müll und Dreckwäsche raus, maximal Bett und Bad sauber.
Unordnung, Chaos in Schränken oder Schäden an Möbeln lassen, versuchen einen Mittelweg zu finden zwischen
"alles hinterher räumen" und "im eigenen Dreck vergammeln lassen".
Es ist später für ihn schwer genug, nach so einer Phase, die einfachsten alltäglichen Dinge zu bewältigen.

Ich weiß ja nicht für was der Betreuer deines Bruders eingesetzt war/ist, aber der hat sich, wenn mehrere Termine "verpasst" wurden und so viele Mahnungen und Schäden entstanden sind auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Vielleicht seh ich da auch was falsch? Keine Ahnung, aber eventuell kann der auch noch was tun, wissen, helfen?

Sicher wird dein Bruder nicht der Erste Bipolare sein der nach einer Phase einen Anwalt braucht oder beim Schuldenberater landet, aber das kann er im Moment wohl (noch) nicht.


Hier noch ein hilfreicher Text auf der DGBS-Seite:
Scherbenhaufen nach Manie

Das Beratungstelefon kann eine große Hilfe sein, wenn man sich mal alles von der Seele reden muss oder
droht den Überblick zu verlieren.

Es ist stressig, pass auf, dass du auch noch auf deine eigenen Bedürfnisse achtest, dir Auszeiten nimmst.

Dir und deinen Eltern alles Gute,
deinem Bruder schnelle Besserung.

LG
kinswoman

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Wenn alle Klügeren nachgeben, wird die Welt von den Dummen regiert…

Marie von Ebner-Eschenbach
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Neu hier als Angehörige und eine Frage

rmpetra4 1680 11. 05. 2017 12:53

Re: Neu hier als Angehörige und eine Frage

avenu 621 11. 05. 2017 16:05

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Sumosimi 801 11. 05. 2017 16:40

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avenu 576 11. 05. 2017 16:52

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zuma 660 11. 05. 2017 16:43

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avenu 622 11. 05. 2017 16:55

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zuma 596 11. 05. 2017 17:20

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kinswoman 556 11. 05. 2017 17:31

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avenu 587 11. 05. 2017 18:02

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Rhoda Nid 599 12. 05. 2017 07:34

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Sumosimi 561 11. 05. 2017 16:43

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kinswoman 570 11. 05. 2017 22:31

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kinswoman 576 17. 05. 2017 10:57

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rmpetra4 454 17. 05. 2017 11:31

Re: Neu hier als Angehörige und eine Frage

Walloh 491 17. 05. 2017 14:01

Re: Neu hier als Angehörige und eine Frage

dino 491 17. 05. 2017 16:36

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kinswoman 474 17. 05. 2017 17:16

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rmpetra4 442 17. 05. 2017 17:47

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rmpetra4 460 17. 05. 2017 17:45

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rmpetra4 464 18. 05. 2017 16:45

Re: Neu hier als Angehörige und eine Frage

dino 553 18. 05. 2017 17:24



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