Hahaha avenu,

du bist gut. Eine einfache, konkretere Frage wäre mir lieber.
Erst dachte ich, dass ich dazu entweder gar nichts oder einen ganzen Roman schreiben könnte.
Wo soll ich denn da anfangen?
Bei angehörig und nicht bipolar sein?
Da gibts denke ich große Unterschiede, je nachdem in welchem Verhältnis man zum Betroffenen steht.
Jede Beziehung, ob Eltern und Kind, in Partnerschaften, Freundschaften oder unter Geschwistern beinhaltet andere Erwartungen und Ansprüche an die jeweils beteiligten Parteien.

Stellt sich mir eigentlich gleich noch die Frage, ob Angehörige die zugleich bipolar sind, durch ihre
"Doppelfunktion" nicht ganz einfach alle aufkommenden Fragen und Missverständnisse problemlos beantworten und aufklären könnten?
Und stell dir vor, wenn die dann alle noch Psychiater/innen wären;-) unsere von der Bipolarität
betroffenen gemeinsamen Beziehungen/Leben wären dann ein Spaziergang?
Vermutlich, nein sicher auch dann nicht.

Wir Angehörigen sind zwar nicht erkrankt, aber mitbetroffen sind wir irgendwie ja doch.
Die Bipolarität mit ihrem Leiden und mit den negativen Folgen in so vielen Bereichen, beeinflusst auch unser Leben. Oft sieht man es kommen das Drama und weiß, dass man nichts oder nur wenig beeinflussen oder aufhalten kann.
Bei mir persönlich hat die Bipolarität die letzten 4 Jahre in ihren Höhen und Tiefen, bis dahin nicht gekannte intensive Emotionen ausgelöst, Hilflosigkeit, Angst, Panik,
Trauer, Wehmut, Wut, Neid und manchmal, aber wirklich nicht oft, kommt auch Verbitterung auf, die aber nichts mit dem Betroffenen zu tun hat, sondern mit den Mängeln im Gesundheits- und Versorgungssystem.

Zeit und Geduld haben für mich ganz neue Dimensionen bekommen.

Ich für mich, empfinde es manchmal als innere Zerrissenheit.
Weder gehören wir zu den, ich nenn es mal "Ahnungslosen",
die wie so weit verbreitet, ohne Tiefe oder Ahnung von Krisen und Ausnahmesituationen, unbelastet und oft ohne es zu schätzen, mit pillepalle Minisorgen, relativ oberflächlich und ignorant durchs Leben gehen.
Noch zählt man uns zu denen die eine Ahnung haben, wirklich verstehen, nachvollziehen können.
Wir baumeln irgendwie über dem Graben der sich zwischen "ahnungslosen" Normalos und den Betroffenen auftut.
Die Leichtigkeit des "ahnungslos" und unberührt Seins haben wir nicht oder nicht mehr. Mitsprache, Mitgestaltung, Anerkennung von Erfahrung oder einfach mal Mitgefühl wird uns von Profi oder Betroffenenseite eher selten zuteil.
Statisten, Zuschauer, Sand im Getriebe. Oder doch hin und wieder hilfreich, stabilisierend und ein Stück weit nötige langweilige Normalität oder besser, Erdung?

Mich abzugrenzen ohne loszulassen scheint mir das Ideal zu sein. Sind nur immer schwer zu erreichen diese verdammten Ideale.

Aber ich habe bis jetzt durchaus auch profitiert, als Mensch.
Mein Horizont hat sich erweitert. Ich war an Orten an die ich sonst nie gekommen wäre, habe ungeahnte Dinge unternommen, manches verstanden und erfahren, dabei mir wichtige, interessanten Menschen kennengelernt.
Alles Erfahrungen die ich zum Teil nicht missen möchte, die ich auch als bereichernd empfinde.
Das hat mich ein Stück weit "wachsen" lassen, selbstbewusster und auch ein bisschen gelassener gemacht.

Und ich denke, egal ob betroffen oder angehörig, wir alle hier haben gelernt uns auch über die "kleinen" Dinge zu freuen.
Wir können wertschätzen was die oben genannten "Ahnungslosen" als Selbstverständlichkeiten betrachten.
Egal ob wir die Schönheit der Natur wahrnehmen oder entspannt einen Cappuccino genießen. Wir wissen es gibt auch andere Zeiten. Das macht es so wichtig den Moment zu genießen. Das hab ich definitiv gelernt.

So, jetzt hast du Fragen und ein paar Antworten ;-)

LG kins

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Wenn alle Klügeren nachgeben, wird die Welt von den Dummen regiert…

Marie von Ebner-Eschenbach