Liebes Forum,
nachdem ich einige Wochen still in vielen Bäumen eure oftmals so hilfreichen Posts mitgelesen habe, habe ich mich heute für das Forum registriert, um mir einmal von der Seele zu schreiben, was gerade in meiner Familie passiert. Ich schreibe als Ehefrau eines Mannes, der bisher nicht in psychologischer Betreuung war. Es gibt keine Diagnose, nur meinen Verdacht und mir ist bewusst, dass es mir nicht zusteht, diese Diagnose zu stellen. Ich beobachte aber, dass alle Symptome, die als typisch für eine bipolare Störung beschrieben werden, auf ihn zutreffen. Und seit mehr als 2 Monaten steht die Welt meiner Familie so sehr auf dem Kopf wie noch nie.
Ich bin seit 17 Jahren mit meinem Mann zusammen und wir haben 3 Kinder im Teenie-Alter. Schon kurz nach unserem Kennenlernen erzählte er mir, dass manche Menschen in seinem Umfeld der Meinung seien, er habe eine bipolare Störung. Ich wusste damals nicht viel über diese Krankheit und habe mich gewundert, wie sein Umfeld auf diese Idee kommen konnte. Klar habe ich gemerkt, dass er sehr aktiv war, viel unterwegs, viele Leute kannte, viele Ideen hatte, aber das war doch alles okay. Dann haben wir ziemlich schnell unsere Kinder bekommen und viele Jahre ein "typisches" Familienleben gelebt. Die Kinder haben uns ziemlich in Atem gehalten und es gab auch aufgrund unserer Berufe nur wenig Zeit zum Durchatmen. Regelmäßig ein- oder zweimal im Jahr wurde es meinem Mann zuviel und er ist dann für eine kurze Zeit alleine in Urlaub gefahren. Ich konnte das immer gut verstehen, ich war auch häufig mit den Kräften am Ende, hatte das Gefühl nur noch zu funktionieren und fremdbestimmt zu sein. Manchmal war er auch richtig erschöpft, saß viel vorm Fernseher oder der Konsole, ging wenig raus, hatte wenige soziale Kontakte. Aber das alles habe ich mit unserem "anstrengenden" Leben erklärt.
Dann während Corona hatte ich den Eindruck, dass mein Mann mit der Isolation ganz schlecht zurecht kam. Er war wie ein Tier in Gefangenschaft, unruhig, unzufrieden, schlecht gelaunt. Er meldete sich dann bei einer Dating-App an, nur um ein wenig zu flirten, meinte er. Ich fand das gar nicht gut, habe ihn aber gewähren lassen, weil er so schlecht gelaunt war und die Stimmung in der Familie einfach nicht schön war. Mit der ein oder anderen Frau hat er sich auch getroffen, um, wie er sagte, Spannung und das Kribbeln vor dem ersten treffen zu spüren. Bei diesen Treffen ist aber anscheinend nie etwas vorgefallen. Nach ein paar Wochen war es auch wieder gut mit den Apps und er wurde ruhiger, entspannter. Diese Phasen hatte er in den vergangenen 3 Jahren immer mal wieder für relativ kurze Zeiträume. Wenn er sich nicht mit Flirts beschäftigt hat, dann hat er ungewöhnliche Ideen entwickelt, was er geschäftlich tun könnte oder was er im sportlichen Bereich ins Leben rufen könnte. Keine dieser Ideen hat er bisher umgesetzt, meist ging es um die Konzeptionierung, dann hat er die Idee wieder fallengelassen.
Seit Ende August ist er nun wieder in einer sehr aktiven Phase und zwar mit einer Intensivität, wie ich sie bisher nicht kannte. Dieses Mal bleibt er an seinen abenteuerlichen Ideen dran, hat damit schon einige Freunde so genervt, dass sie nicht mehr ans Telefon gehen, wenn er anruft. Außerdem hat er mich nun auch zum ersten Mal mit einer anderen Frau, die er von früher kennt und die er auf einer Reise besucht hat, betrogen. Das hat mich echt fertig gemacht. Er hat es mir nicht gebeichtet, so getan, als wäre alles in Ordnung. Ich habe es herausgefunden, als ich in sein Handy geschaut habe. Ich weiß, dass das nicht korrekt von mir war, aber ich habe gespürt, dass er mich anlügt und wollte einfach Gewissheit haben. Als ich ihn damit konfrontiert habe, hat er die Sache abgetan: Das sei jetzt nicht mehr zu ändern, ich solle die Vergangenheit Vergangenheit sein lassen und nach vorne schauen. Da war mir klar, dass ich es gerade mit einer anderen Person zu tun habe. Mit jemandem, mit dem ich nicht vernünftig diskutieren kann, der seine eigene Realität hat und an den ich nicht mehr herankomme. Er ist ungeduldig, grundsätzlich latent aggressiv den Kindern und mir gegenüber, gibt zuviel Geld aus, hat sich wochenlang krankschreiben lassen, flirtet wo immer er kann, will unsere Beziehung für andere Personen öffnen, möchte jeden Tag Sex, diskutiert stundenlang, akzeptiert keine andere Meinung, schläft wenig, gibt ständig Geld aus, erzählt mir Geschichten statt der Wahrheit, fühlt sich kontrolliert. ... und ich kann nun so langsam nicht mehr. Mit den Kindern habe ich besprochen, dass sie möglichst ruhig mit ihm sprechen, sich auf keine Diskussion einlassen, freundlich bleiben. Es tut mir so weh, dass sie diese Situation mitmachen müssen. Ich möchte für uns alle, dass es uns wieder besser geht. Dabei sieht mein Mann nicht, dass irgendetwas falsch läuft. Alles ist toll, endlich tut er all das, was er schon immer machen wollte, aber aus Rücksicht auf uns nie getan hat. Die Notwendigkeit, dass wir uns Hilfe holen, sieht er nicht und auch nicht, dass seine 4 engsten Familienmitglieder total angespannt sind.
Ich bin in dem Rahmen wie es ohne seine Einsicht möglich ist, nun endlich dabei, Hilfe zu organisieren. Irgendwie habe ich die ganze Zeit gehofft, dass die Phase nachlässt, er zugänglich wird, ich endlich mit ihm sprechen kann und wir gemeinsam überlegen, was wir tun können. Aber ich sehe derzeit nicht, dass das bald eintritt. Ich habe demnächst einen Termin beim SPDi und hoffe, dass man mir dort weiterhelfen kann mit Tipps, Kontakten, etc. Auch beim Beratungstelefon der DGBS habe ich bereits angerufen, es hat so gut getan, über meine Sorgen zu sprechen!
Inzwischen bin ich so durcheinander, dass ich meine Gefühle für ihn gar nicht mehr genau definieren kann. Ich bin so gestresst und erschöpft, da spüre ich die Liebe nicht mehr so stark. Kennen das andere Angehörige auch? Ich habe Angst, dass die Liebe, wie ich sie bisher für ihn empfunden habe, nicht mehr wiederkommt. Und ich vermisse meinen Mann, der einfühlsam, liebevoll und aufrichtig zu mir ist, so sehr!
Ich danke euch, wenn ihr diesen langen Text gelesen habt. Vieles habe ich verkürzt dargestellt. Es gäbe noch mehr zu erwähnen und ich würde mich sehr über einen Austausch mit euch freuen :-)
Liebe Grüße, Kati