Hallo zusammen
Ich bin manchmal echt wütend. So richtig, dass die Wut in meinem Bauch brodelt.
Lange Zeit hatte ich keinen wirklichen Umgang mit meiner Wut und da sehe ich das Problem, dass sie sich dann nach innen richtet, zerstört und mich kaputt macht. Auch krank macht mit der Zeit, wenn sich immer mehr Wut anhäuft, zum Teil zum selben Thema.
Zum Glück durfte ich etwas dazulernen.
Auf den Weg mitgegeben wurde mir von meinen Eltern gute Voraussetzungen, die ich lange nicht erkennen konnte. Ich dachte nur: Ich bin wütend und kann nichts tun.
Dass die Wut so dermassen kochen kann in mir, ist sicher auch meinem Temperament geschuldet, wie ich es benenne: Dem osteuropäischen Flämmli.
Mir ist klar, dass man nicht ganze Länder und ihre Völker kategorieren darf, dennoch schreibe ich hier auch zu diesem Thema, wie ich es in der Schweiz erlebe.
Mein osteuropäisches Flämmli ist vermutlich genauso stark, wie von da, wo es herkommt.
Mein Grossvater und dessen Bruder trugen es auch in sich, nur verhielten sie sich noch etwas ungestümer und wilder als die kommenden Generationen, eckten an. Ich fand das auch spannend.
Mein Vater trägt das Flämmli ebenfalls in sich, er hat aber eine Wesensart, bei der er immer lieb sein möchte zu anderen. Wenn er sich aufregt, dann rebelliert er nicht gegen andere, ich denke er äussert sich eher zu wenig dazu, was ihn wütend umtreibt. Ihm war aber bewusst, dass er nicht so ein ungestümes, wildes Vorbild sein möchte und versucht sich dann zu beherrschen, was auch mal in Resignation umschlägt.
Meine Mutter ist sehr geduldig und Geduld ist auch meine grösste Stärke. Sie sagte kürzlich: Dass du immer wieder aufstehst und dich so schnell erholst, das hast du von mir. Ja, das stimmt.
Sie hat dazu noch diese Eigenschaft, die ich bei vielen meiner Freunde hier feststelle: Wenn es einen Aufreger gibt, legen die ihn schnell beiseite, sagen: Schwamm drüber und gut ist. Eine Gelassenheit.
Manche sagen dann auch: Ist mir egal. Und weiter geht’s. Das ist nicht aufgesetzt, sie empfinden wirklich so.
Diese Eigenschaft der Gelassenheit bei solchen Situationen fehlt mir komplett. Deshalb hatte ich ja auch solche Probleme, mit der Wut umzugehen. Ich kann nicht sagen, gut jetzt und weiter geht’s. Ich koche innerlich.
Durch harte Lebensumstände, die mich wahnsinnig wütend gemacht haben, aber zum Glück nicht wahnsinnig im Sinne eines Rückfalls, musste ich lernen einen Weg zu Finden. Das ist noch gar nicht lange her.
Also kombinierte ich das vorgelegte von meinen Eltern:
Wenn ich wütend bin und ich koche innerlich, lasse ich dem Gefühl einen Moment Zeit und Raum. Ich gehe zum Beispiel nach draussen und setze mich an einen schönen Ort. In der Wohnung fände ich das unerträglicher. Ich versuche mich nicht zu beruhigen. Ich lasse Zeit verstreichen, geduldig bleiben.
Ich empfinde Wut als ein antreibendes Gefühl, aber auch ein lähmendes. Es lähmt meinen Kopf klar zu Denken und würde ich im ersten Moment handeln, gäbe das eine Kurzschlussreaktion.
Davon gibt’s vom Vater, Grossvater und seinem Bruder einige Geschichen und meine Mutter sagt dann immer humorvoll, das sei wieder typisch und man wisse, wo das wieder herkommt. Stimmt ja auch.
Sobald sich durch das Abwarten mit Geduld der Kopf geklärt hat, versuche ich zu überlegen, was ich mit dem Antrieb der Wut machen kann. Dabei denke ich nicht an auspowern für mich, sondern diesen Antrieb einzusetzen, um eine Verbesserung oder Lösung herbeizuführen für die Situation, die mich so wütend gemacht hat.
Manchmal dauert das auch eine gewisse Zeit bis zur ersten Idee, die dann noch weitergeführt werden kann, immer Schritt für Schritt und nicht alles an einem Tag. Nur den Grundstein lege ich, sobald der Kopf und die Gedanken drin etwas ruhiger sind und ich im Stande bin, mich reflektiert mitzuteilen. Es ist auch anstrengend.
Das ist mir auch sehr wichtig, eine konstruktieve Lösung herbeizuführen, weil wenn ich im ersten Moment eine Kurzschlussreaktion veranstalte, die vermutlich noch gespickt ist von hässlichen Gossenwörtern, dann fällt am Schluss die Reaktion darauf nur negativ auf mich zurück und macht alles noch schlimmer.
Auch wenn ich Schritte unternommen habe, zur Behandlung der Wut, klingt diese nicht sofort ab und es braucht noch einen kleinen Verarbeitungsprozess, den ich manchmal auch mit kreativem Schaffen oder dann auspowern für mich, zum Beispiel durch Bewegung in der Natur, abschliesse.
Liebe Grüsse
Milla
Mit Liebe und Ruhe betrachtet ist die Welt am Schönsten
