Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

06. 03. 2023 16:55
Hallo,

ich habe die letzten Tage damit verbracht, so gut wie jeden Eintrag und jede darauf eingehende Antwort in diesem Forum zu lesen (was natürlich kaum möglich ist, aber ich habe sehr viele durch und werde mich noch weiter einlesen). Ich bin jetzt schon sehr dankbar für alles, was ich lernen und erfahren durfte.

Ich würde gerne einmal meine derzeitige Situation vorstellen und würde mich freuen, wenn Ihr mir helfen könnt. Ich bin mir bewusst, dass man auf keinen Fall Ferndiagnosen machen kann, das jede Situation sowieso einzigartig ist und es schwierig ist, die aktuelle Situation korrekt einzuordnen. Die DGBS-Telefonhotline hat mir jedoch durch die vergangene Zeit geholfen und vielleicht hat auch hier der ein oder andere einen guten Tipp für mich oder sogar die Erkenntnis, dass ich mich auf dem Holzweg befinde.

Zu meiner Situation:
Ich bin seit 10 Jahren mit meinem Mann zusammen und seit 5 Jahren sind wir verheiratet. Wir haben schwere Zeiten, wie den Tod von Familienangehörigen, als auch wunderschöne Dinge gemeinsam erlebt. Wir verstehen uns sehr gut, haben viele gemeinsame Hobbys, sind immer auf gegenseitigen Respekt bedacht und haben gerne viel für- und miteinander getan. Er ist ein sehr liebevoller, lustiger und treuer Mensch gewesen. Seine Moral und seine Werte waren ihm immer überaus wichtig und er hat wirklich alles getan, um mich glücklich zu machen. Natürlich hatten wir aber auch unsere Streitigkeiten. Er vergaß häufig Dinge und ich reagierte dann teilweise ein wenig zu zickig oder nachtragend. Daran haben wir gearbeitet und hatten das gut im Griff. Nie sind wir ausfallend, beleidigend oder handgreiflich geworden.

Im letzten Jahr haben wir mit der Familienplanung begonnen, die nicht sofort funktionierte. Das hat mich in der Herbst- bis Winterzeit etwas beschäftigt und ich war etwas niedergeschlagen. Auch er war weniger fröhlich, was ich leider erstmal diesem Zustand zugeordnet habe. In der Zeit fing es an, dass er manchmal Dinge, die ich gesagt habe, nicht mehr richtig verstanden hat. Sachen, über die wir früher viel gesprochen haben, hat er auf einmal laut eigener Aussage "nicht mehr verstanden" - dabei ging es vor allem um emotionale Angelegenheiten. Zudem fing er auf einmal total maßlos an zu Essen, auch wenn wir mit Freunden in Restaurants waren. Auch verlor er seinen Antrieb und hatte an nicht mehr viel wirklich Interesse.

Im Januar spitzte sich das immer weiter zu und wir setzten uns zusammen, um miteinander zu sprechen. Dabei erzählte er mir, dass er schon seit einiger Zeit eine Leere in sich fühlen würde. Dass er keine Gefühle mehr hätte, zu niemandem mehr. Dass er nur noch eine leere Hülle sei und wenn das so weiter gehen würde, er lieber tot wäre. Er sagte mir auch, dass er häufig absolut überhaupt nichts mehr empfinden würde in der Zeit. Dass er bspw. bei Krankheiten uns sehr nahe stehender Personen null Mitleid empfinden würde, sondern nur genervt oder es ihm egal sei. Die nächsten drei Tagen haben wir sehr intensiv miteinander verbracht und die ganze Zeit gesprochen. Er war in den Tagen sehr egoistisch. Er sagte alles, was er machen wollte und so haben wir es auch gemacht. War kaum zu einem Kompromiss bereit. Und das ist sonst überhaupt nicht seine Art. Ich habe irgendwie gespürt, dass es anders ist als jemals und habe gedacht, dass er das vielleicht gerade einfach braucht.

Und genau in dieser Zeit switchte seine Laune um. Er war nicht mehr so niedergeschlagen und leer, sondern total überdreht und aber auch gereizt, wenn ich diese gute Laune nicht teilen konnte. Zudem schlief er viel weniger (früher ist er immer direkt vor dem Fernseher eingeschlafen) - jetzt blieb er lange wach, fand nicht in den Schlaf und war morgens immer schon total früh auf. In der Zeit redeten wir so viel und da er sich so "auffällig benahm" ließ ich nicht locker. So kam raus, dass er sich bei mehreren Dating-Apps angemeldet hatte (seit Herbst) und dort auch Frauen getroffen hatte und mit diesen "intim" schrieb. Auch kam raus, dass er seit dem gleichen Zeitraum wieder begonnen hatte zu rauchen und sein Studium, was er eigentlich beendet hatte, doch nicht beendet war. Als ich mit ihm unterwegs war und ihm sagte, dass er dann ruhig auch vor mir rauchen konnte, wenn er das jetzt tut, rauchte er unheimlich viel (das ist bis jetzt so) und schnipste den Stummel einfach auf die Wiese (er ist super Umweltbewusst, lebt vegetarisch, sammelt am Strand den Müll, etc.). Er war wie ein anderer Mensch. Als ich ihm dazu was sagte, wischte er das eher so weg und wirkte genervt von mir.

In dieser Zeit fing es auch an, dass er eines Abends sagte, dass er mich nicht mehr liebt. Dass er mich nie geliebt hätte. Dass die Hochzeit, die Verlobung, alles ein Fehler gewesen sei. Er wäre nie mit dem Herzen dabei gewesen. Nie verliebt und nie verknallt gewesen. Dennoch besprachen wir, dass wir füreinander kämpfen wollen, da man das in einer Ehe so macht. Da wir uns das geschworen haben - in guten wie in schlechten Zeiten. Kurz darauf kam heraus, dass er über diese Dating-Apps eine Frau kennengelernt hat, mit der er eine Affäre hat (seit Herbst). Diese würde er lieben und mich ja sowieso nicht mehr (seltsam ist für mich, dass er während dieser Affäre aber ja noch weitere Frauen datete). Einen Tag später hat er um mich gekämpft, hat an diesem Tag ständig meine Nähe gesucht, mit der Affäre Schluss gemacht und unsere weitere Zukunft mit Paartherapie etc. geplant. Einen einzigen Tag lang.

Am nächsten Tag kam er abends von der Arbeit und meinte, dass er das alles nicht könne. Er fühle sich nur noch unter Druck und müsse raus. Er hätte Herzrasen. Dort und auch in den vorangegangenen Tagen hat er auf mich die meiste Zeit immer eher gereizt reagiert. Ich habe gemerkt, dass er sich nicht empathisch in mich hineinfühlen kann. Er ist um 22:00 Uhr abends durch halb Deutschland zu seiner Familie gefahren und kam dort um 05:00 Uhr morgens an. Anstatt schlafen zu gehen, ist er spazieren gegangen. Als er nach 5 Tagen (3 davon hat er sich nicht gemeldet) wiederkam, war er eiskalt zu mir. Er hat mir 20x gesagt, dass es Aus sei, dass ich ihn hätte halt noch häufiger fragen müssen, wie es ihm geht. Dass es ihm egal wäre, was mit mir ist, da jeder selbst für sich verantwortlich sei und er jetzt einfach nur glücklich werden will. Und das kann er nicht mit mir, da er mich nicht liebt und nie mit dem Herzen dabei war.

Zurzeit ist es so, dass wir noch unter einem Dach leben, aber in getrennten Zimmern. In den ersten Tagen war er total überdreht und erzählte immer wieder von Dingen, die er erlebt hat (er berichtete sie total überzogen und lustig, dabei waren sie im Grunde genommen eher "traurig", da er meist ganz allein war bei diesen Aktionen). Ich erkenne ihn kaum wieder. Sein immer so ehrliches und glückliches Lachen ist auch nicht mehr wirklich da. Es ist alles so überdreht.

Seit ein paar Tagen ist er ruhiger, aber dennoch eiskalt, wenn er mit mir spricht. Sagt mir Dinge, wie, dass er sich vorgestellt hat, wie er mit seiner Affäre und deren Kind mich alleine auf der Straße sieht. Und wie er dann mit dem Kinderwagen spazieren geht. Dabei weiß er ja genau, dass wir gerade dabei waren, selbst Kinder zu bekommen und das unser beider größter Wunsch war. Wenn ich ihm Briefe zeige, die er mir geschrieben hat, sagt er, dass er das entweder nicht geschrieben hat oder er es nur getan hat, weil er es musste. Es ist alles so absolut bei ihm und er sagt, dass wir uns nur gestritten hätten und kaum schöne Zeiten miteinander hatten. All unsere Freunde sind total erschüttert, weil sie ihn und mich und uns zusammen immer so geliebt und geschätzt haben.

Er zeigt leider absolut keine Krankheitseinsicht (wenn er eine Krankheit hat). Er sagt, wenn er sich das antäte und mit mir zu Ärzten gehen würde (worum ich ihn gebeten habe), würden die alle nur sagen: "Es tut mir Leid, Herr X, aber Ihnen geht es großartig". Dabei ist er früher zu jedem Arzt gegangen und hatte kein Problem damit. Zudem ist die Trennung nach 10 Jahren ja auch so oder so kein Zuckerschlecken. Selbst wenn die Gefühle weg sind. Für ihn schon, sagt er. Manchmal hat er kurze Momente. Er arbeitet im sozialen Bereich und als ein Freund ihn fragte, was er denn mit einem seiner Klienten täte, wenn diese die Symptome von ihm zeigen würde, sagte er, dass dieser Klient bei ihm längst in der Klinik sei.

Ich habe mit vielen Menschen gesprochen (Psychologen, Psychiatern, DGBS-Telefon, Selbsthilfegruppe für Angehörige etc.) und die meisten wiesen mich auf das Vorliegen einer bipolarer Störung hin. Natürlich konnte das keiner diagnostizieren, da er ja nicht mit den Menschen spricht. Rückblickend kann ich nur sagen, dass er im Winter häufig "depressive Verstimmungen" (so nannte er es) hatte, aber das hat nie behandeln lassen. Zudem sagte er selbst, dass er schon immer glauben würde, dass bei ihm ADHS vorliegen würde, da er manchmal Himmelhochjauchzend und manchmal zu Tode betrübt sei. Ich bin selbst Lehrerin und kenne sehr viele Schülerinnen und Schüler mit ADHS. Ich kann das nicht diagnostizieren, sehe ihn jedoch nicht wirklich dort. Dennoch ist es ja auffällig, dass er es selbst so benennt.

Ich weiß, dass es nicht viel gibt, was man machen kann. Ich weiß auch, dass ich mich selbst schützen muss und ich habe sehr viele tolle Freunde und Familie um mich, die mich stützen und auffangen. Zudem habe ich mir morgen einen Termin bei einer Psychologin gemacht, um selbst verarbeitet zu bekommen, was hier gerade passiert. Aber habt ihr Ideen oder Ratschläge für mich? Kann es sein, dass ich auf dem komplett falschen Dampfer bin? Und wenn nicht, gibt es irgendwas, was ich sagen oder machen kann? Mein Problem ist auch, dass ja bis jetzt noch nichts diagnostiziert wurde bei ihm, weil er nie bei einem Psychologen o.ä. war. Sein Elternhaus ist leider auch eher schwierig und dort wird nicht gesprochen.

Vielen Dank an alle, die diesen Text bis hierhin gelesen haben. Und an alle, die antworten. Ich bin über jeden Ratschlag dankbar.

Liebe Grüße, hermine
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Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

hermine1332 3795 06. 03. 2023 16:55

Re: Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

lebensfrohundso 621 06. 03. 2023 18:56

Re: Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

hermine1332 522 06. 03. 2023 19:37

Re: Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

lebensfrohundso 514 06. 03. 2023 20:27

Re: Wesensveränderung Ehemann - Vorliegen einer bipolaren Störung?

hermine1332 486 06. 03. 2023 20:48

Es braucht eine Fachdiagnose

Lichtblick 520 06. 03. 2023 20:40

Re: Es braucht eine Fachdiagnose

hermine1332 523 06. 03. 2023 20:57

Re: Es braucht eine Fachdiagnose

lebensfrohundso 432 06. 03. 2023 21:34

Re: Es braucht eine Fachdiagnose

hermine1332 387 07. 03. 2023 10:04

So witzig ist bipolar nicht.

Lichtblick 484 07. 03. 2023 20:03

Re: So witzig ist bipolar nicht.

hermine1332 458 07. 03. 2023 20:54

Re: So witzig ist bipolar nicht.

kinswoman 649 07. 03. 2023 21:11

Doch, doch: zwei Vorschläge

Lichtblick 444 08. 03. 2023 20:09

Re: So witzig ist bipolar nicht.

lebensfrohundso 453 08. 03. 2023 12:55

Re: So witzig ist bipolar nicht.

dry 408 08. 03. 2023 15:14

Re: So witzig ist bipolar nicht.

hermine1332 388 08. 03. 2023 15:59

Re: lebensfroh und so

Irma 476 08. 03. 2023 15:58

Re: lebensfroh und so

lebensfrohundso 465 08. 03. 2023 21:16

Re: lebensfroh und so

kinswoman 384 08. 03. 2023 22:23

Re: Es braucht eine Fachdiagnose

Herzensmensch 286 27. 12. 2023 21:16

Re: Es braucht eine Fachdiagnose - Ohne Arzt?

Milla 432 06. 03. 2023 21:01

Re: Es braucht eine Fachdiagnose - Ohne Arzt?

hermine1332 445 07. 03. 2023 10:05

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Syrius21 694 07. 03. 2023 10:50

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hermine1332 515 07. 03. 2023 15:07

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Schnuppi2116 426 07. 03. 2023 22:08

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Friday 377 11. 03. 2023 14:10

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Lichtblick 554 11. 03. 2023 18:18

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Friday 434 11. 03. 2023 18:42

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Skome 465 20. 03. 2023 13:40

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Skome 342 27. 03. 2023 10:36

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Lichtblick 370 27. 03. 2023 12:05

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hermine1332 559 06. 04. 2023 23:20

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creep 429 22. 03. 2023 08:06

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hermine1332 452 22. 03. 2023 09:59

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Kalibella 287 13. 11. 2023 11:05



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