Guten Morgen,
so am Anfang stehe ich nicht. Ich habe das Erleben seit meinem 11. Lebensjahr, also schon über 15 Jahre. Und wenn ich ganz ehrlich zu mir bin, weiß ich zumindest seit meinem 19. Lebensjahr, dass meine Stimmung in Phasen verläuft, die die Mehrheit so nicht erlebt. Mit 22 wurde mir dringend durch die Uni zu einer Therapie geraten und damals habe ich dann kurz aus Neugierde alle Diagnosen angelesen und ich spüre bis heute den Kälteschockschauer als mein Leben dort in Symptomen stand. Ich wusste sofort, dass ich irgendeine Form auf dem bipolaren Spektrum habe, weil in dem Fachtext mein Leben stand. Das wollte ich aber nicht wahrhaben und dachte mir, solange die Profis mir die Diagnose nicht stellen, ignoriere ich das und tue es als übertriebene Selbstdiagnose ab. Im Sommer 2019 saß ich dann hüpfend brabbelnd strahlend vor meinem Psychiater und er hat seinen Kopf geschüttelt und gemeint, ich sei so eindeutig von der Bipolaren Störung betroffen, dass er sich echt wundert, warum mir diese nicht sofort gestellt worden ist.
In meinen Hypomanien ist ein Hyperfokus: Die Bipolare Störung. Das ist schon irgendwie zum Brüllen lustig. Ich besitze wahrscheinlich die größte autobiographische Büchersammlung zur Bipolaren Störung, weil ich hypomanisch immer Bücher zu dem Thema bestelle. Das hat dann wenig mit meiner Betroffenheit zu tun. Bevor ich von meiner Betroffenheit wusste, habe ich bereits in dem psychiatrischen Bereich zu arbeiten begonnen und kam damals super mit den bipolar Betroffenen klar. Mir machte die Arbeit mit denen am meisten Freude und von denen kam am meisten Rückmeldung, dass ich als unterstützend erlebt wurde. Ich interessiere mich beruflich für viele psychologische Themen, aber ich hatte schon immer einen Faible für die Bipolare Störung. Aus mehreren Gründen und nun weiß ich, dass wahrscheinlich auch unbewusst persönliche eine Rolle gespielt haben. Ich bin aber auch nicht nur Betroffene, sondern auch Angehörige.
Oh... Das habe ich nicht gut ausgedrückt. Ich meinte, dass das Hoch eine Flucht nach vorne sein kann. Ich wurde im Sommer 21 in einer Phase vergewaltigt, weil ich keine Gefahren mehr gesehen habe und das brutal ausgenutzt worden ist und deshalb stimme ich Dir natürlich vollkommen zu, dass meine Aussage verkehrt ausgedrückt war. Die (Hypo)Manie ist (lebens)gefährlich. Wenn ich aber in einer Hochphase bin, habe ich keine Intrusionen bezüglich meiner Gewalterfahrung, weil mir der Zugang dann komplett fehlt. Das Erlebnis aus dem Sommer war so grausam, dass ich mit Medikamenten täglich nahezu stündlich Flashbacks hatte und ich muss eigentlich dringend eine Traumatherapie machen, doch in einem Hoch stehe ich über allem, auch den schlimmsten Erfahrungen drüber.
Oh ja, mein Hoch macht mich furchtlos und das fühlt sich zwar unbesiegbar an, aber laut Profis renne ich kopflos in Gefahren und habe zum Beispiel bei meinem Fahrradunfall wieder ein verdammtes Glück gehabt. Ich merke schon, dass ich mitunter keine Angst mehr spüre und ich weiß, dass Angst wichtige Funktionen für uns Menschen hat. Na ja, ich sehe die Gefahr wohl wirklich nicht. Unter Lithium habe ich das gesehen. Mal sehen, mein Lithiumspiegel ist bald gut. Im Moment sehe ich keine Gefahr für mich bzw. denke, dass ich einfach alle mit Liebe überschütte und dann klappt schon alles. Aber ich habe zum Beispiel gerade kaum Ausgang, weil meine Station den Eindruck hat, mich schützen zu müssen. Das nervt, aber ich weiß, dass das alles andere als böse gemeint ist.
Ich lese Deine Worte immer gerne. Ich habe gerade das Gefühl, ich möchte eigentlich noch näher auf diese eingehen, aber meine Gedanken rennen gerade etwas umher. Das fühlt sich lustig an, aber macht ein bisschen wuschig unkonzentriert.
Ich wünsche Dir einen entspannten Sonntag!!!