Hallo zusammen
Da ich oft gut unterscheiden kann, auch meist für meine Anliegen kämpfe und mich sehr einsetze, hat es mich bisher noch nie so erwischt wie letzten Mittwoch vor einer Woche.
Da hatte ich einen Behördentermin, es ging nicht ums Eingemachte finanziell, um ne Zusatzleistung, die mir sehr wichig gewesen wäre und mein Leben erleichtert hätte.
Es kam eine Frau von der Behördenstelle IV zu mir nach Hause, sie bezahlen auch meine Rente.
Ich kann mich in Gesprächen gut ausdrücken und alles, hatte sogar Unterstützung dabei und an dem was wir beide mitgeteilt haben und wie, also freundlich, würde ich nichts ändern wollen.
Das Gespräch glich einem Verhör eines Schwerverbrechers, es gab viele Fragen im Fragenkatalog, die weder auf meine Situation, auf das Anliegen oder aufs Thema eingingen. Total seltsam.
Aber schlimmer war, ich fühlte mich wie gehirnlose Luft, die weder selbständig denken, noch überhaupt sprechen kann, behandelt.
Die Frau spielte Freundlichkeit vor, was sofort bemerkbar war und war total empathielos, wollte mich gar nicht verstehen. Ich konnte auch sehr gut bemerken, wenn sie auf ihre Frage eine Antwort von mir erhielt, dass sie darauf Dinge fragte oder sagte, bei denen ich nur staunen konnte und zeigten, dass sie sich gar nicht in meine Situation hineinversetzen konnte. Es ging diesbezüglich nicht um was kompliziertes.
Als sie wieder gegangen war sassen die Frau von der Spitex, die mich unterstützt hat und sehr erfahren ist und ich nur noch fassungslos und schockiert da. Wir haben das Gespräch kurz nachbesprochen.
Danach begann es in mir zu Arbeiten, es wurde gar nichts Gutes daraus.
Das Gespräch war wie ein Trauma, oder ich weiss nicht, ob man sagt: Retraumatisierung. Ich stürzte in eine tiefe Sinnkrise, begleitet von Hoffnungs- und Kraftlosigkeit.
Ich hinterfragte, das gesamte Sozialsystem, eckte damit auch an.
Eine Woche lang versuchten mich Fachpersonen und Angehörige zu beruhigen, zeigten mehrheitlich Verständnis, machten klar, dass es nicht nur mir so ginge mit diesen Dingen. Nichts half mir, was sonst immer wirkt, wenn nur eine Person mit mir spricht.
Ich fand es die grösste Ungerechtigkeit für mich persönlich, dass ich in diesem Moment des Gespräches kein Mensch mehr war, nicht mal nur eine Krankheit, ich war ein bedeutungsloses Nichts im Niemandsland.
Da es in den 17 Jahren, seit dem Ausbruch der bipolaren Störung schon unzählige solche Gespräche gegeben hat, mit dem Sozialamt, mit Vorgesetzten von geschützten Arbeitsplätzen, auch in der Psychiatrie, war das das eine zu viel, das alles hervorholte wie eine zu salzige Welle im Sturm, die mich mitriss. Erst nach einer Woche mit vielen Bemühungen, mir was Gutes zu tun, dem Anwenden von zahlreichen Strategien, Gesprächen, E-Mails, Ablenkung, Alltag, Ausflügen, schaffte ich den Ausstieg aus der Sinnkrise. DIe Woche war nur schlimm.
Ich dachte auch: Ich hätte diese Frau nie in meine Wohnung lassen dürfen, das hätte gar nicht geschehen dürfen. In meiner geliebten Wohnung fühlte ich mich auch ein paar Tage unwohl, weil sie da gewesen war. Mein Schutzraum war zerbrochen. Als hätte sie in die Wohnung Gift gestreut, das sich erst auflösen musste.
Es ist jetzt nicht mehr wie davor. Und es macht mir Bauchschmerzen, dass ich zwar eine vorläufige mündliche Ablehnung der finanziellen Unterstützung erhalten habe, warten muss auf den schriftlichen Bescheid. Und wenn der negativ ausfällt, wie erwartet, muss ich Einsprache erheben. Weil ich es so nicht auf mir sitzen lassen kann. Ich gehe alle möglichen Wege, bis alles ausgeschöpft ist. Und falls da nochmals ein Gespräch ansteht, weiss ich, dass das für meine psychische Gesundheit massiv bedrohlich ist.
Es hat mich vieles auch frustriert gemacht. Ich verstehe auch das Prinzip vom Ganzen nicht. Ich finde es ungerecht allen Betroffenen gegenüber, die zumTeil einfach runtergebuttert werden, bis sie sich nicht mehr wehren können. Die Einsprache eben gesundheitsbedingt gar nicht mehr machen können. Da hätten sie mich ja auch schon fast hingebracht, das ist mir vielleicht knapp noch möglich mich zu Wehren, auch weil ich gut unterstützt bin.
Ich finde es recht skandalös, wie man so mit Menschen umgeht, die eine Krankheit haben. Es sind ja dieser Stelle auch Menschen mit Behinderungen unterstellt, mit kognitiven Behinderungen oder Sehbehinderungen beispielsweise. Unterstellt ist genau das passende Wort, nicht auf Augenhöhe, nicht gleichberechtigt. Unterstellt zum loswerden oder fertig machen.
Ich kann mir voll vorstellen, wie die umgehen mit jemandem mit einer kognitiven Beeinträchtigung.
Von sehbehinderten Menschen weiss ich, wie umgegangen wird mit ihnen. Mehrere die ich kenne, sind aber psychisch ausgeglichen, versiert mit Büroarbeit und können sich deswegen etwas besser zur Wehr setzen, selbstverständlich ist es auch für sie eine grosse Belastung und sehr mühsam. Da wird auch ständig versucht, Geld doch nicht auszubezahlen oder Leistungen zu Streichen.
Nur wenn diese Behördemitarbeiterin auf psychisch vulnerablen Personen, es könnte auch sein, dass sich jemand in einer akuten Krankheitsphase befindet, regelrecht rumhackt und sie bewusst klein macht, hat das tatsächlich Folgen auf die Stimmung. Je nachdem gibts dann eine Kettenreaktion mit Phase, grosser Krise, Klinik und was das für die Betroffenen bedeutet ist klar.
Ich sagte mir in Gedanken wie ein Mantra: 'Ich lasse es nicht so weit kommen, dass ich wegen dem Gespräch noch akut in die Psychiatrie komme, wegen einer Phase, die dadurch aufkommt, das ist mir zu paradox'
Nun zum Glück ist das bisher dann auch so gegangen und habe das Gefühl, dass ich seit zwei Tagen den Kopf wieder freier habe.
Unterschwellig beschäftigt es mich, macht mich traurig und enttäuscht.
Damit, denke ich, kann ich aber umgehen, es ist nicht mehr die Wucht an negativen, überfordernden Gefühlen und das Gedankenkarussel der schlimmen Begegnungen in der Vergangenheit, in denen ich nicht menschlich wahrgenommen und behandelt wurde.
Das einzige was da von mir betrachtet wurde, war das Stigma der Erkrankung, alles andere zählte gar nicht und es gab auch keine Offenheit dafür, was anderes zu Hören und entgegen zu Nehmen.
Früher, kurz nach der Erkrankung habe ich ein paar Jahre im 1. Arbeitsmarkt gearbeitet und wurde viel beleidigt.
Aber da stand nicht die bipolare Störung und das Stigma im Vordergrund, eher dass das in der Berufsrichtung und mit den Arbeitsbedingungen oft passiert, das weiss ich auch von anderen Berufskollen, das Business ist knall hart, manchmal zu hart.
Das hat bei meinem Trauma vor 1 1/2 Wochen nicht wirklich reingespielt, weil ich damals fand, ich wurde zwar unmenschlich beleidigt von den Vorgesetzten, aber ich war einfach eine Mitarbeiterin und sie waren ein Vorgesetzter/Vorgesetzte.
Deshalb denke ich, hat mir dermassen zugesetzt, dass der schlechte Umgang mit mir statt fand aufgrund des Stigmas. Das tat mir auch besonders weh.
Liebe Grüsse
Milla
Mit Liebe und Ruhe betrachtet ist die Welt am Schönsten