Hallo Miramis,
gar nicht so leicht, dir zu antworten. Kann sein, dass wir mit dem Erörtern des Begriffs Loyalität über das Baumthema hier weit hinaus kommen, aber letztendlich hat es nach meinem Empfinden gar nicht so wenig damit zu tun.
Zuerst möchte ich mal auf dieses unbedingte Bestehen von Eltern, auf die Loyalität ihrer Kinder zu ihnen zu pochen, eingehen. Genau dieses Verstehen von Loyalität meinte ich nicht. Gerade Kinder von psychiach Erkrankten fügen sich selbst mit dieser Loyalität gegenüber ihren Eltern gesundheitlichen Schaden zu und Hilfen haben es schwer zu greifen. Scham und Stigmatisierung spielen dabei eine große Rolle. Mitunter gibt es auch ein Schweigegebot der Eltern für ihre Kinder gegenüber Außenstehenden. Dieses nach außen "Vorspielen" der heilen Familienwelt gibt es ja nun nicht nur in Familien mir psychisch erkrankten Mitgliedern und beschädigt damit das Familiensystem.
Was meinte ich nun mit Loyalität? Bis zu meiner Erkrankung war das kein Thema. Meine Familienkonstellation war in so fern besonders, dass ich ca. 20 Jahre jünger war als meine Geschwister, also schon eine andere Generation. Direktes Reden war wichtig, ehrlich ohne etwas vormachen zu müssen. - ein Wert. Ich war als Kind in Auseinandersetzungen unterlegen, habe mich aber geliebt gefühlt von Eltern wie Geschwistern, die dann schon bald eigene Familien hatten. Wenn bei Streit, Konflikt o.ä. dennoch spürbar ist, dass der andere es eigentlich gut mit dir meint, dir die Meinung direkt oder unschön ins Gesicht sagt, dir seine Meinung ungeschönt aufs Auge drückt, dann kam ich so manches Mal zum Nachdenken und konnte die dahinter- oder die darunterliegende Loyalität erkennen, und durchaus von ihrer größeren Lebenserfahrung profitieren - oft erst im Nachhinein.
Die Bipo wurde eine Herausforderung für mich, meine Mutter und auch meine Geschwister + Familien.
Bei meiner Mutter bin ich bis heute dankbar für ihre Loyalität mir gegenüber und insbesondere dann als ich Mutter war und sie mein Kind in meinen akuten Krankheitszeiten betreute immer mit dem Blick auf eine gesunde Mutter-Kind-Beziehung.
Meine Geschwister hatten ihre jeweils eigene Art, sich zu meiner Bipo zu stellen, abzugrenzen, Auseinandersetzungen oder Gespräche drüber zu vermeiden. sich anderswo ihre Informationen über meine Erkrankung zu holen. Ich habe gelernt, das zu akzeptieren. Als ich dann Mutter wurde, war ich unsicher, wie loyal sie mir gegenüber sein würden, wenn sie mit meinem Kind ohne mein Beisein umgehen würden, denn die Auseinandersetzung mit mir und meiner Bipo erfolgte nicht. Heute kann ich sagen, ok das war so und anscheinend brauchten sie das so.
Die Nähe zu meinen Eltern und dann später nach dem Tod meines Vaters zu meiner Mutter war größer, als der natürliche Abstand zu meinen so viel älteren Geschwistern. Das bezeichnet verschiedene Ebenen.
Selbstverständlich spielten noch viele andere Faktoren mit hinein.
Dankbar bin ich meinen Geschwistern für dieses Lernen in der Kindheit und Jugend im Auseinandersetzen mit ihnen über die Umwelt, politische Themen, Verhalten, das genaue Hinschauen in Beziehungen, hinterfragen von Situationen/Konstellationen und den Mut dafür wie das Durchhalten dessen.
So stelle ich heute fest, wie es verschiedene Abstufungen von Nähe gibt, die verschiedene Abstufungen von Vertrauen bewirken, gibt es auch verschiedene Voraussetzungen für Loylität. Aber Loyalität an sich ist für mich ein Wert in folgender Hinsicht. Wenn ich mit dem Verhalten eines Menschen nicht einverstanden bin, sage ich ihm das in Loyalität. Wenn dieses Verhalten mir dann fortlaufend so weit über meine Hutschnur geht, dass ich das so nicht mehr hinnehme, sage ich das und wenn es die Situation erfordert, dass ich mich nicht mehr an eine Loylität ihm gegenüber gebunden fühle. Dabei kann Selbstfürsorge für mich und andere eine Rolle spielen, den Prozess über Jahre sich hinziehen lassen, Mut erfordern und Durchhaltevermögen. Am Ende ist das Stehen zu mir selbst gepaart mit Gottvertrauen die beste Selbstfürsorge.
War nun sehr lang, ob auch erhellend für dich, weiß ich nicht.
LG
s.