Guten Morgen liebe Milla,
danke für diesen Baum mit dem auch für mich wichtigen Thema.
Zwei Jahre nach dem 2. Weltkrieg wurde ich in eine Großfamilie hineingeboren.
In dieser Familie gab es keine Gefühle bzw. es hatte keine zu geben.
Als Erwachsene war ich dadurch im Umgang mit Gefühlen vollkommen unerfahren.
... erst als ich 1993/94 - in einer psychosomatischen Kur - während der Teilnahme an einer Gruppentherapie
meine erste psychotische Episode erlebte, mußte ich mich mit dem Thema "Gefühle" auseinandersetzen.
Auf eine 1 1/2 Jahre andauernde Depression, die ich in der Psychiatrie verbleiben mußte, folgte eine psychotische Manie.
Sie setzte explosionsartig das in mir angelegte Aggressionspotential frei und war äußerst zerstörerrisch.
Erst in der Therapie (mit 55 Jahren) erfuhr ich, dass es gar nicht anders sein konnte.
Als das "Faß" war voll war, konnte ich "den Deckel nicht mehr draufhalten".
Ich erfuhr, dass ich als Kind die erlebten und durchlittenen jähzornigen und in jeder Hinsicht übergriffigen Ausbrüche/
Handlungen einer mir sehr nahestehenden Person in mich aufgenommen hatte.
Ich konnte und wollte das nicht glauben.
Aus meiner Sicht war ich ein durch und durch friedvoller Mensch!
Mit Unterstützung des mich begleitenden Psychiaters und Psychotherapeuten lernte ich, meine Gefühle zu spüren
und auszuhalten. Anfangs hatte ich nach der zerstörerischen psychotischen Manie Angst vor mir selbst.
Heute weiß ich:
Wenn ich Wut in mir spüre, ist das ein Hinweis darauf, dass (s)ich etwas ändern muß.
Oft ist es Wut, weil ich mich verletzt fühle, das aber nicht geäußert habe oder es nicht zur Kenntnis genommen wird.
Dann versuche ich herauszufinden, was genau mich verletzt. Mitunter ist es eine verhältnismäßig harmlose, unbedachte Äußerung, die früher Erlebtes aktivierte.
Aggression auspowern, durch auf einen Sandsack boxen oder ein Kissen verhauen, geht für mich nicht.
Laut Schreien ging bis vor kurzem auch nicht.
Da steht mir im Weg, was mir vermittelt wurde (und auch heute noch oft vermittelt wird):
"eine Frau darf nicht aggressiv sein!".
Mein Aggressionspotential - vor dem ich heute keine Angst mehr habe - ist meine größte Anschubkraft.
Sie hilft mir dabei, etwas zu ändern (was geändert werden muß).
Was mich kränkt für mich zu behalten und damit langfristig Wut anzusammeln, mache ich nicht mehr.
Ich spreche an und aus, was mich verletzt und wütend macht. Auch laut Schreien kann ich inzwischen,
auch auf die Gefahr hin, dass ich mich blamiere.
Dass man (auch frau) alles sagen darf, jedoch in einem anständigen Ton, weiß ich mittlerweile.
Mir gelingt es leider nicht immer - da gehen bei meinem Temperament "die Gäule mit mir durch".
Diesbezüglich lerne ich noch.
Viele Grüße
Deborah
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
Wer etwas will, sucht Wege.
Wer etwas nicht will, sucht Gründe.
Wer nicht fragt, wird nicht gehört.
Wer sich nicht zeigt, wird nicht gesehen.
... hat mich das Leben gelehrt.
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 25.10.22 05:26.