Liebe alle,
ich bin ganz neu hier und möchte mich gerne mit anderen austauschen und erfahren, wie die Betroffenen jeweils mit der Krankheit umgehen.
Zu meiner Person: ich bin weiblich, 26 Jahre alt, die Diagnose „Bipolare Störung“ erhielt ich im Frühjahr 2017. Ich hatte jeweils 2017, 2018 und 2021 ausgeprägte manische Epsidoen mit Krankenhausaufentahlten im geschlossenen Bereich, welche jeweils ca 1-2 Monate dauerten. Dazwischen hatte ich viele depressive Phasen - manche schlimmer, andere weniger intensiv. Medikation: Quetialan 200mg, Quetialan 300mg, Quilonorm ret. 450mg.
Es fällt mir personlich seit der Diagnose sehr schwer, ein „normales“ Leben mit Vollzeitjob usw zu führen. Entweder ich bin voller Tatendrang und ständig unterwegs oder ich verbringe den ganzen Tag auf der Couch vor dem Fernseher. Am schlimmsten ist für mich der Umstand, dass ich bei sämtlichen Manien (auch unter massivem Tabletteneinfluss mit bspw Benzodiazepinen, Cisordinol ua während des Krankenhausaufenthaltes) sehr viel in sozialen Medien wie Facebook und Instagram gepostet habe, alles massiv zu meinem Nachteil und so, dass absolut jeder wusste, dass ich mich in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie befinde. Eigentlich habe ich alles gepostet, was ich in diesen ebenfalls vorhandenen Psychosen erlebt habe (zB eine Nachricht über Facebook an den Bundeskanzler, dass ich mich wegen ihm in der Geschlossenen befinden würde usw). Man wird nachvollziehen können, dass mir diese Posts und insgesamt mein Verhalten gegenüber meiner Familie und Freunden sehr unangenehm ist, ich schäme mich. Darüber hinaus muss ich nach diesen Manien - worauf auch bekanntlich meist eine schwere Depression folgt - in mühevollster Kleinstarbeit schauen, dass ich meine Beziehungen, welche ich allesamt in der Manie zerstört habe, wieder zu kitten. Meine letzte Manie voriges Jahr Oktober bis November war so schlimm, dass ich fast meine gesamte Wohnungseinrichtung aus dem 1. Stock rausgeworfen hatte, woraufhin sich die Polizei Zugang zu meiner Wohnung verschaffte und ich in Handschellen mit der Rettung und Polizei eingeliefert werden musste. An 10 Tage vom Krankenhaus kann ich mich absolut nicht mehr erinnern. Ich bekam eine Räumungsklage und verlor meine Wohnung.
Ich war auch 2021 einmal bei einem Treffen einer Selbsthilfegruppe in der Hoffnung jemanden kennenzulernen, der einen Weg gefunden hat, trotz der Krankheit ein erfülltes Leben zu führen und mir zu erklären, wie man das schafft. Ich hatte seit 2017 immer die fixe Idee, dass wenn ich mich nur genug bemühen, genug anstrengen würde, ich auch ein lebenswertes Leben führen könnte. Von Beruf bin ich seit 2011 Rechtsanwaltsassistentin. Nach einer langen Pause (2017-2019) konnte ich diesen Beruf auch wieder sehr erfolgreich ausüben. Anfang 2021 wurde ich zur Kanzleileiterin befördert und dann wurde alles zu viel. Ich wurde - wahrscheinlich stressedingt - hypomamisch und musste kündigen, bevor sich die Hypomanie zur Manie entwickelt (was bei mir binnen weniger Tage passieren kann). Quasi ist es seit der Diagnose so, dass sobald alles glatt läuft in meinem Leben und ich mir wieder alles von null weg erarbeitet habe, ich alles verliere und wieder mühsam von null alles aufbauen muss. Jedenfalls war es in dieser Selbsthilfegruppe leider nicht so wie erwartet. Im Gegenteil: die anwesenden Betroffenen hatten ihr Leben wesentlich weniger im Griff als ich selbst, das war etwas enttäuschend für mich, wenngleich ich auf keinen Fall irgendjemanden verurteilen will. Aber ich hätte mir halt jemanden gewunschen, der für mich hilfreiche Tipps hat.
Ich habe bei der Suche nach einem Forum für BS diese Seite gefunden, welche offensichtlich viele Teilnehmer hat und sehr aktiv ist. Ehrlich gesagt fühle ich mich sehr allein mit dieser Krankheit, ich fühle mich nicht verstanden und drehe mich irgendwie immer im Kreis. Ich habe mir gedacht, dass ich hier vielleicht Menschen finde, die diese Krankheit schon länger haben und gute Wege gefunden haben, damit umzugehen, soweit dies überhaupt möglich ist. Nicht falsch verstehen - ich erwarte hier keine Universallösung, sondern einfach hilfreiche Tipps und Anegungen. Allein würde ich mich schon freuen, von jemandem zu hören, der vielleicht seit 5 oder 10 Jahren keine Krankenhausaufenthalte mehr hatte (falls es solche Fälle gibt), da ich dadurch wieder ein wenig Hoffnung auf Besserung zulassen könnte.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich auch eigentlich gar nicht weiß, was schlimmer ist: die Erinnerung an die vergangenen Manien/Depressionen, welche für mich mehr oder minder zum „Gesellschaftsausschluss“ geführt haben oder die Angst vor der Zukunft, was wann als nächstes passiert. Die ständige Angst, manisch zu werden und nicht mehr Herr über meinen Geist zu sein. Vielleicht haben ja einige unter euch ähnliche Sorgen/Probleme/Ängste und schon eine Lösung gefunden, damit besser umzugehen.
Ich bedanke mich bereits jetzt herzlich für eure Antworten!
Liebe Grüße