Hallo an Alle ;-)
ich habe hier im Forum letztes Jahr sehr viele Beiträge gelesen und es hat mir sehr geholfen! Ich nehme seit Dezember 2020 Lithium und es hat etwa ein Jahr gedauert bis ich aus einem gedämpften trägen 'Zombie' Zustand rausgekommen bin und mich jetzt glücklicherweise wieder normal und gut fühle (90% :-)...
Ich habe 2019 meinen Führerschein wegen THC verloren und für die Führerscheinstelle der ich Arztbriefe mit Berichten und Diagnosen geschickt habe, einen langen Brief geschrieben (+ Alkohol 2020 mit 1.4 promille in Portugal ohne Führerschen... ). Ich will ihn hier teilen um andere zu motivieren Lithium auszuprobieren die sich vielleicht lange geweigert haben oder bei denen der gedämpften träge 'Zombie' Zustand schon lange andauert. Ich hatte schon von mehreren Psychiatern gehört dass dieser Zustand länger andauern kann, manchmal auch Jahre, was mich von 2015 bis 2020 dazu bewegt hat es gar nicht erst auszuprobieren. Mir hat ein strukturierter Alltag in einem beruflichen Trainingszentrum sehr geholfen und ein Nebenjob als Snowboardlehrer und selber Snowboarden (Dopamin+Adrenalin).
Hier der Brief:
Stellungnahme zum Antrag zur Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Entzug
Sehr geehrte Frau XYZ,
Ich möchte Ihnen in diesem Schreiben zusammenfassen wie sich mein Psychischer Zustand entwickelt hat und wie er sich auf mein Fehlverhalten im Straßenverkehr ausgewirkt hat. Aufgrund der vielen Details im Entlassbrief vom ZfP Emmendingen ist es mit wichtig die Hintergründe detailliert zu erläutern.
2008 war ich in Innsbruck erstmals stationär in der Psychiatrie. Damals habe ich es geschafft wieder gesund zu werden ohne Psychopharmaka zu nehmen, indem ich gesund und Alkohol- und Cannabis-Abstinent gelebt habe. Nachdem 2014 meine Mutter starb brach auch meine Bipolare Störung trotz Abstinenz wieder aus und ich wollte keine Psychopharmaka nehmen, vor allem weil ich sie nach Aussage der Psychiater lebenslänglich nehmen müsste. 2016 hatte ich dann eine lange depressive Phase und musste mein Doktorratsstudium in Meteorologie abbrechen. Danach habe ich als Experiment zur Selbstmedikation angefangen wieder Cannabis zu rauchen weil es mir anfangs erfolgreich (2016-2019) half aus depressiven Phasen raus zu kommen. Ich lebte 2016 bis 2020 im Wohnmobil, im Sommer in Freiburg, bis zum Führerscheinentzug 2019, um zu arbeiten und im Winter in Portugal um in der Natur einen Rückzugsort zu haben und bin finanziell und psychisch mit Gelegenheitsjobs als Hilfsarbeiter größtenteils zurechtgekommen.
2016-2019 habe ich nur sehr wenig THC haltiges Cannabis (max 1g pro Monat) konsumiert um aus Depressiven Phasen raus zukommen und strikt darauf geachtet am selben Tag nicht mehr zu fahren (THC < 1 ng/ml und THC-COOH von 6,8 ng/ml der Fahrt vom 4.9.19 war der Rest des THC vom Vortag). CBD Cannabis (legal in der Schweiz und Österreich) rauchte und CBD-Öl (legal in Deutschland) nahm ich regelmäßig ein, weil es manische Phasen abgedämpft hat (am 9.9.19 war der Urintest positiv weil ich morgens zur Beruhigung CBD rauchte aber kein THC). Nachdem ich 2019 den Führerschein verlor, fuhr mich eine Freundin zu meinem Platz den ich in Portugal gemietet hatte. Dort war ich bis zu einem großen Waldbrand (50-100 km²) im Juni 2020 und bin als Beifahrer mit Nachbarn und Freunden klargekommen ohne selbst zu fahren. Durch die Situation in Portugal festzustecken und dort kaum Geld verdienen zu können flüchtete ich jedoch mithilfe von Cannabis und Alkohol immer öfter und intensiver vor der Realität. Nach dem Waldbrand den nur mein Wohnmobil überstanden hatte entschied ich aus Perspektivlosigkeit wieder selber zu fahren. Gefühlt auf der Flucht verschlimmerte sich mein psychischer Zustand 2020 enorm und ich freundete mich mit Obdachlosen in Lagos an um gemeinsam zu trinken und die Polizei zu ärgern. Vor allem durch viel Alkohol habe ich mich dort regelmäßig in voll manische Phasen befördert, obwohl ich es im Nachhinein schnell wieder bereut habe und in Depressionen abgerutscht bin. Ein harmloses Beispiel ohne Strafe ist eine Aktion bei der ich einen Geldautomaten mit Wasserfarbe angemalt habe und Zeit und Bierflaschen bis zum Eintreffen der Polizei gezählt habe. Im Zuge einer dieser Aktionen habe ich mir im Wahn auf einem 15 Minuten Parkplatz mit meinem Wohnmobil dauerhaft geparkt (noch nüchtern) und dann sehr viel Alkohol getrunken und laut herumgeschrien. Als die Polizei ankam habe ich vor deren Augen eine Parklücke weiter links geparkt, woraufhin sie mich zum ausnüchtern mitgenommen haben und ich letzten Sommer knapp 1000€ Strafe bezahlt habe. Nach dem folgenden Monat in Depression bin ich dann nach Nordspanien gefahren, mit der Hoffnung dort mein Wohnmobil bei Freunden abstellen zu können. In Oviedo habe ich mit den strengen Corona Maßnahmen wieder den Verstand verloren, habe im Halteverbot geparkt (auch nüchtern) und bin in die Stadt gelaufen um in einer weiteren manischen Phase schreiend ohne Maske in der Öffentlichkeit Cannabis zu rauchen und Wodka zu trinken, woraufhin mich die Polizei in die Psychiatrie gebracht und mein Wohnmobil beschlagnahmt hat. Ich hatte glücklicherweise noch genug Vernunft um immer ohne Alkohol zu fahren (abgesehen vom Umparken in Lagos) und ich kann es im Nachhinein selbst nur schwer in Worte fassen was mich zu dieser verzweifelten und komischen Art von Hilferufen in Lagos und Oviedo angetrieben hat.
Seit Oviedo bin ich in psychiatrischer Behandlung und bin aufgrund von regelmäßiger Einnahme von Lithium stabil. Aus meinem jetzigen geistig klaren Zustand ist mir bewusst, dass ich in der Manie sinnlos gehandelt habe. Ich hätte mir viel Leid und Selbstmordgedanken erspart wenn ich schon 2019 in stationäre Behandlung gegangen wäre, aber in die Psychiatrie zu gehen hat sich damals für mich angefühlt als müsste ich lebenslänglich ins Gefängnis. Das einzig positive an den Erfahrungen die ich 2019-2020 gemacht habe ist, dass ich mir sicher bin Lithium nicht mehr abzusetzen. Mein Vater nimmt schon seit 30 Jahren verschiedene Psychopharmaka und seit 10 Jahren Lithium, daher habe ich schon selbst miterlebt, was passiert wenn Psychopharmaka nicht wirken wie gewünscht oder abgesetzt werden. Seit August 2021 bin ich im beruflichen Trainingszentrum der SRH in Freiburg zur Wiedereingliederung in den ersten Arbeitsmarkt. Ich fühle mich jetzt wieder geistig gesund und ausgeglichen, veröffentliche demnächst Ergebnisse meiner Doktorarbeit und bin motiviert einen festen Arbeitsplatz zu finden. Für meine Erkrankung sind die Prognosen mit Lithium sehr gut und ich bin sehr dankbar, dass ich mich so schnell wieder wohl fühle (es dauert mindestens 3-6 Monate bis man ‚eingestellt‘ ist).
Ich habe Ihnen meine Vergangenheit hier sehr ausführlich geschildert um Ihnen klar zu erläutern, dass ich aufgrund meiner Psychischen Erkrankung oft irrational gehandelt habe. Mir ist bewusst, dass mein Selbstexperiment meine Bipolare Störung mit Cannabis zu steuern sehr riskant und auf Dauer hoffnungslos war. Glücklicherweise geht es mir mit Lithium sehr gut und ich kann Ihnen versichern, dass ich nie wieder in den Geisteszustand von 2020 zurück will, was mit einem gesunden Lebensstil und Lithium sicher möglich sein wird.
Der Führerschein würde mir sehr helfen einen Arbeitsplatz zu bekommen weil er in vielen Stellenausschreibungen Voraussetzung ist. Ich lebe in Absprache mit den Psychiatern seit ich in Spanien in der Psychiatrie war wieder Cannabis-Abstinent und trinke nur selten und in Maßen Alkohol, nur in Gesellschaft als Genussmittel. Cannabis würde ich selbst im Falle einer Legalisierung auf keinen Fall mehr konsumieren, weil es sehr psychoaktiv wirken kann und die stabilisierende Wirkung des Lithiums aushebeln könnte. Zudem werde ich sobald ich den Führerschein wieder habe sicher gar keinen Alkohol trinken wenn ich fahre!
Ich habe Ihnen alle Anlagen im Original beigefügt, die ich für die MPU wieder benötigen würde.
Mit freundlichen Grüßen,
M. R.
