Hallo Gaia,
wie geschrieben, möchte ich dir ausführlich schreiben. Ich habe alle Beiträge gelesen und mir ist oft etwas eingefallen. Vielleicht schaffe ich es nicht, auf alles zu antworten, aber ich versuche dir möglichst viel mitzugeben.
Auch ich bin eine Angehörige. Mein (aktuell Ex-)freund ist erkrankt, konnte aber nie etwas mit der Diagnose bipolar anfangen, da bei ihm lange Phasen ausblieben. Bis zu diesem Jahr. Im Juni, nachdem er Medikamente reduzierte und nicht mehr schlief, kam er nach einer Mobbingsituation (wobei er auch paranoid wurde, also ist etwas unklar, wie schlimm die Situation an dem Tag wirklich war) in einem Ausnahmezustand. Er drohte mit Suizid, ich musste Dinge für ihn tun, Anweisungen kamen per WhatsApp, ständig drohte er, er würde mir etwas tun. Ich war völlig hilflos und habe den mir so wichtigen Menschen nicht mehr erkannt. Irgendwann kam er dann, ich musste mich ins Auto neben ihn setzen, was mir gar nicht geheuer war. Und dann kam irgendwann ein Zusammenbruch, er wollte selbst ins BKH. Ich rief die Polizei und ließ ihn einweisen, ich war nicht in der Lage ihn zu fahren. Dort führte er sich so auf, dass er per Gerichtsbeschluss 6 Wochen dort behalten wurde. Es dauerte zwei Wochen, bis er wieder "er" war. Dazwischen war es nur Wahnsinn, den er mir schrieb. In dieser Zeit fand ich dieses Forum und im Laufe der Zeit auch immer mehr Antworten.
Ich habe zu ihm gehalten, weil ich mehr in ihm sehe, aber zu der Zeit auch angefangen, mehr Selbstfürsorge zu betreiben. Denn mir war mein wichtigster Mensch auch weggebrochen. In der Zeit danach konnte er sich noch wochenlang an alles erinnern, obwohl er nicht mehr psychotisch war. Er war überzeugt, dass er klar war und rational gedacht hat. Es hat Wochen bis Monate gedauert, bis er jetzt die Erinnerungen nicht mehr so klar hat und sich bei Erwähnung seiner Aussagen sogar schämt. Dass er sich mir gegenüber so verhalten hat, kann er kaum glauben.
Ich fand die Zeit extrem belastend. Wenn man nicht weiß, was es ist und wie lange es dauert. Es ist sehr schwer, das auszuhalten. Ich kann dir sehr gut nachfühlen, in welchem Gefühlschaos du dich befindest.
Ich habe im Nachhinein viele Situationen begriffen, die mich in Rätseln gelassen hatten über die letzten Jahre. Ich denke, bei ihm steckt ein Trauma mit drin, das viel mit beeinflusst. Sein Vater ist manisch-depressiv, aber mit langen Phasen, die er so nicht hatte. Das machte es auch so viel schwieriger, die Krankheit zu finden. Er ist oft völlig irrational gewesen (im Nachhinein: hypoman), so kleine Ausbrüche zählen für mich dazu, wenn sie von der Realität weit weg sind. Wenn sie gar keinen Bezug mehr haben. Oder konnte Situationen nicht loslassen. Hat aber nie begriffen, dass die Unruhe in ihm steckt. Er schiebt es immer auf die Außenwelt. Und die hat nur zum Teil eine Verantwortung.
Mittlerweile musste ich Todesfälle verkraften und kam sehr an meine Grenzen. Erst war er super, liebenswert, fürsorglich. Aber das hält immer nur kurz, weil immer er wichtiger ist. Es kam ein Ausbruch (er ist seit Juni nicht ganz stabil) und das war dann zu viel. Ich hätte ihn stabil gebraucht.
Die Trennung war nicht leichtfertig, sondern ein Prozess. Du hast ein Recht auf deine Gefühle. Die dürfen sich sortieren. Du siehst viele Dinge an ihm, die du schätzt. Das sind deine Gefühle. Aber deine anderen Gefühle, dass er auch andere Seiten hat, mit denen er dich verletzt, die musst du auch zulassen. Zu Wort kommen lassen. Ich habe Distanz aufgebaut und er hat in einem anderen Zimmer geschlafen (er ist bei mir eingezogen vor langer Zeit). Ich wollte Harmonie, habe aber sehr viele Wechsel abbekommen. Irgendwann war es zu viel und wir haben uns getrennt. Das hat aber gedauert. Zwischendurch habe ich immer wieder Hoffnung geschöpft, aber es kamen immer wieder Situationen, die ich nicht tragen kann aktuell.
Ich habe sehr viel für ihn gemacht. Wenn er hilflos wirkte, sich aufregte, versucht, ihm alles abzunehmen. Ich habe erst jetzt verstanden, wie unsinnig das war. Er will einen Retter und ich habe die Rolle angenommen. Aber ihm nicht geholfen. Er steht sich im Weg. Viele Talente, viel was er wegwirft... Aber es ist nicht immer nachvollziehbar, warum er etwas hinwirft. Fehler von anderen verzeiht er kaum, aber die Verletzungen, die er anderen zufügt, die will er immer gleich verziehen haben.
Ich habe mich getrennt mit den Worten "Ich liebe dich noch, aber ich kann nicht mehr". Es war alles emotional und heftig. Aber trotzdem tut mir die Ruhe gut... ich merke, dass er mich immer auf Alarmbereitschaft gehalten hat. Und das möchte ich nicht mehr, denn es kostet mich Unmengen Kraft. Und die ist woanders besser eingesetzt.
Er hat sich ins Bezirkskrankenhaus einweisen lassen, auch, damit ich aufmerksam werde. Denn er hat weiter nicht meine Grenzen beachtet, sondern mich mit Nachrichten überschüttet. Es ist aber genau das Gegenteil von dem, was ich möchte. Erst, als ich einmal gedroht habe, ihn vorübergehend zu blockieren, hat das abgenommen. Und er nimmt dort mehr Medikamente und geht in die Kirche, was ihm Ruhe gibt. Aber es ist bloß ein Anfang. Es wäre sehr viel mehr wichtig.
Er ist ein Stück aufgewacht und will jetzt alles hinkriegen, damit das mit uns wieder wird. Ich weiß nicht, ob es nicht schon zu spät ist, nach so vielen Versprechungen, so viel Auf und Ab. Obwohl er nie gewalttätig war. Manches war nicht wertschätzend und verletzend... Das hat gereicht. Und Alkohol als Selbstmedikation gab es phasenweise exzessiv. Dann wieder nicht... Dann wieder doch... Versprechungen...
Ich gehe von Tag zu Tag. Es tut mir gut, Ruhe zu haben. Ich schaue nur darauf, was mir gut tut.
So wie du deinen Partner beschreibst, ist er gerade nicht in der Situation, dass du mit ihm reden kannst. Kümmer dich um dich. "Stabil hilfst du ihm am meisten". Es bringt nichts, wenn er dich mit abreist. Leider wird man oft erst im nachhinein beurteilen können, was es war. Ich weiß, wie belastend es ist, drin zu stecken. Aber was mir geholfen hat "Es ist die Krankheit". Nicht er. Das macht es leichter zu ertragen, was dich verletzt.
Aber schaffst du das?
Wenn er keine Hilfe sucht?
Wenn du immer die Stärkere sein musst?
Achte auch darauf, was du tragen kannst.
Ich hoffe, ich habe dich nicht zu sehr "zugeschwallt". Kaputt nutzt du niemandem, also tu dir Gutes.
Allerbeste Grüße!