Alles gesagt. Alles richtig. Ich sehe es auch so.
Bei mir war es so. Ich war jung. Ich hatte ein Bomben-Wochenende auf Sylt hinter mir - mit von allem zu viel. Ich trampte nach Hause ( in den 80ern, ohne Smartphone, Uber, Blablacar machte man das mal so ) . Sonntagabend also auf‘m Dorf bei den Eltern reingeschrammt, per Telefon erfahren, dass die liebste im Krankenhaus ist - Magersucht. Kurzer Wutanfall. Eltern irritiert, hilflos. Pastor angerufen (war der greifbare Psycho-Profi vor Ort). Der kommt, redet mit allen. 1,5 h später eigentlich alles wieder ok. Aber er sagt, geh doch morgen noch mal zum Doc mit der Geschichte, nur zur Sicherheit. Weil, ein halbes Jahr vorher hatte ich schon einen Bock geschossen und mein ganzes Geld ( also, alles, was meine Eltern für meine Ausbildung gespart hatten und ein halbes Jahr Arbeitslosengeld ) für ein flottes Auto ausgegeben. Das Auto war nach kurzer Zeit kaputt ( blöder Unfall ). Naja, der Dorfarzt hört sich das an, schreibt eine Überweisung. Drauf steht „Verdacht auf manisch-depressives Syndrom“. Tja, und um rauszufinden, was das heißt, empfiehlt er mir noch, zum Psychiater zu gehen. Und so sitze ich nach kurzem bei so einem. Sage, also so, wie in „Einer flog übers Kuckucksnest“, das läuft nicht. Will nur mal wissen, was der Text auf der Überweisung bedeutet. Das macht der auch 1a. Ganz entspannt. Und gibt mir nach acht kurzen Terminen (15 min) die angenehme Prophezeiung mit auf den Weg: Tja, wenn sie der Behandlung mit Lithium nicht zustimmen, sind sie mit 30 auf Sozialhilfe ( so nannte man damals, was heute Hartz 4 heißt). Und wisst ihr was. Das habe ich dann präzise erfüllt. Es gibt nämlich nicht nur self-fullfilling prophecies. Das funktioniert auch mit fremden.
Von daher würde ich mit meinem Leben und ab Lebensjahr 34 begonnener Behandlung mit Antiepileptikum sagen: Immer schön langsam mit Diagnosen. Die kleben mitunter wie Schleppsch…, wie man in Norddeutschland sagt.
Irgendwann stehst Du dann mit 56 da, hast zwar ein halbwegs gelungenes bürgerliches Leben gelebt. Und fragst dich in jeder Subdepression, ob das eigentlich so gesund ist, wenn man 22 Jahre eine Phasenprophylaxe nimmt, die nur auf einer Diagnose von einem Dorfarzt aufgebaut worden ist. Und wo alle Profis danach die nur abgenickt haben - wahrscheinlich, um nix zu riskieren. Denn meine Biografie damals mit 20 war ja schon sehr sehr sehr!!!
Ja, war jetzt vielleicht fast am Thema vorbei und nicht jedem Foristen so ganz nach der Nase.
Aber nach dem Urlaub musste das mal raus.
Gruß B.
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Bipolar, Typ II, geb. 1965,
aktuelle Med.: seit Herbst 2021 ohne Medikation
früher Carbamazepin und zeitweise Quetiapin