Guten Morgen,
der Beitrag von Zuma spricht mir aus der Seele. Genauso sehe ich das auch. Ich habe schon lange so was von die Schnauze voll
von dieser Oberflächlichkeit, dem Komsum (haste nix, biste nix) und dem Ellenbogendenken.
Mit Mitte 20 befand ich mich mitten drin. Ich habe in einem Job gearbeitet, der mich gelangweilt hat und zus. am Wochenende in Diskotheken gearbeitet. Ich habe gerne Parties gegeben und eine Menge Freunde kamen.
Unsere Themen waren nur Oberfächlichkeiten und Spaß haben. Erst kam eine schwere Depression, dann die Manie. Ich habe in
der Manie das gesagt, was ich dachte und natürlich völlig verqueres Zeug, außerdem war ich völlig zügellos in der Öffentlichkeit
und wurde dann netterweise in die Geschlossene gebracht.
Es war 500 km von meinem damaligen Wohnort entfernt und dort kam ich endlich zur Ruhe. Waldspaziergänge, gute Gespräche mit Mitpatienten und ein bißchen malen. Zurück in Hamburg prasselte alles wieder auf mich ein.
Ein Partner der mich nur ausnutzte, ein ungeliebter Job bei meinem Vater, der meinte: Arbeit ist die beste Therapie und ziemlich
viele "Freunde" verloren, die jetzt nichts mehr mit mir zu tun haben wollten.
Das tat sehr weh. Ich war halt die "Durchgeknallte" vor der man aufpassen musste. Man kann sich nicht zusammenreißen. Wenn
etwas losbricht wie ein Monsum hat man keine Chance mehr dagegen zu steuern. Das Gleiche gilt für die Depression. Nun lach
doch mal, reiss Dich zusammen, jeder hat mal einen schlechten Tag. All solche Sprüche taugen nur dazu, dass ich mich noch
schlechter gefühlt habe.
Die beste Entscheidung, die ich je getroffen habe, war auf das Land zu ziehen. Hier grüßt man sich, hält ein Schwätzchen, ich kann
in den Garten gehen und werkeln und hier sind wirklich sehr nette Menschen.
Wir haben in 5 Tagen mehr mit Menschen gesprochen, als in 4 Jahren in der alten Wohnung. Viele Menschen aus der Wohnung
hatten den ganzen Tag schwere Gardinen zugezogen und standen erst spät auf, sie grüßten nicht, warfen den Müll ins Treppenhaus
oder Scherben und Kippen in unseren Garten. Ich habe vor kurzem meinen bekifften Nachbarn angeschrien, da er mitten in
der Nacht mal wieder die Anlage aufdrehte.
Der Nachbar über mir, ein junger Mann hatte nächtelang Schreianfälle. Die Seele bleibt auf der Strecke, bei diesem kranken Leben.
Ich bin regelmäßig ins Fitnesstudio gegangen, obwohl ich es gehasst habe.
Heute besinne ich mich auf meine Wurzeln. Wir kochen selbst, gehen spazieren, ich singe gern und wir beide lieben die Natur.
Mein Partner nimmt mich so wie ich bin. Er hebt aber auch warnend den Finger, wenn ich kurz vor dem abheben bin.
Es hat sich noch niemals jemand die Mühe gemacht sich einmal über meine Bipolarität zu informieren. Ich war so mit Schuld-
gefühlen durchdrungen, dass ich vor 2,5 Jahren mehrfach meinem Leben ein Ende setzen wollte.
Ich hatte meinen Sohn in einem heftigen Streit vor die Tür gesetzt, was ich schon lange hätte machen sollen. Danach bin ich
umgeflogen und in die Manie gerutscht.
Also, die kranke Gesellschaft ist für mich ein guter Nährboden für eine kranke Seele. Ich mache da nicht mehr mit. Ich habe heute
wenige, aber tolle Kontakte zu Menschen. Ich habe mich vor 2 Wochen geoutet als bipolar und seitdem geht es mir sehr gut.
Für die anderen habe ich keine Zeit und Energie mehr.
Turicum