Hallo Claudia,
Was die Bildung angeht habe ich die Erfahrung gemacht, dass Vieles mit Bipolar machbar ist, wenn der Wille und die Ausdauer da sind. Es kann manchmal einfach länger dauern als bei Menschen, die nicht erkrankt sind aber das ist OK. Das Leben ist kein Rennen.
Ich denke, wenn deine Tochter wirklich Abi machen will, dann kann sie es schaffen.
Meine Krankheitsgeschichte hat auch mit 17 angefangen, auch mit Depression und mit dem Druck der Schule. Ich bin zwischen 17 und 20 Jahre alt mehrere Male in der Klinik gewesen , auch längere Zeit. Die richtige Diagnose und die richtigen Medikamente habe ich erst später bekommen. Es war oft schwierig und ich habe zwei Jahre mehr gebraucht als die anderen Schüler aus meinem Jahrgang, aber ich habe die Abiturprüfungen in meinem Land (Frankreich) mit 20 geschafft. Das Gleiche ist mit dem Studium passiert: es hat länger gedauert, aber es hat auch geklappt.
Falls es wirklich ihr großes Ziel ist: deine Tochter sollte immer unbedingt stolz auf sich sein und an sich glauben! Sie sollte sich nicht zu sehr mit anderen Gleichaltrigen vergleichen, es ist Gift für das Selbstbewusstsein eines Teenagers. Ihr Weg zum Abi wird vielleicht steiniger sein als der ihrer Mitschüler. Ihre Geschichte ist halt durch die Störung anders, so machen Vergleiche wenig Sinn.
Ich sehe es als großer Vorteil, dass ihr schon über Bipolar wisst. Ihr könnt sie deswegen in vielen Bereichen viel gezielter unterstützen. Das Wichtigste wäre: sich nicht selber zu viel Druck machen, weil Stress Episoden viel wahrscheinlicher macht. Ihr könnt euch zusammen überlegen, was ihr gut tut und hilft während des Schuljahres, und was eher hinderlich ist.
Ich rate dazu, am Anfang des Jahres offen mit der Schulleitung und dem Vertrauenslehrer über die Situation zu reden. So kann Einiges gemacht werden, damit ihre schulische Laufbahn bis zum Abi leichter ist. Zum Beispiel kann man glaube ich einen Nachteilsausgleich für die Benotung während des Jahres und für die Prüfungen beantragen. Sie hat durch eine chronische Krankheit eine Behinderung: Wenn ihre Bedürfnisse klar ausgedrückt sind, eventuell auch mit Attest ihres Arztes, muss die Schule sie berücksichtigen und sie helfen, es ist Gesetz!
Ich wünsche euch und ihr viel Mut, Kraft, und Zuversicht!
Alles Gute,
Frédérique