Hallo Milla,
ich danke dir für das Mitteilen deiner Erfahrung. Es ist ja auch sehr individuell und manchmal ist es so, dass Menschen lange oder auf Dauer die sozialpsychiatrische Unterstützung brauchen und gerade das eine gewisse Stabilität mit sich bringt.
Damals machte ich eine längere Psychotherapie und ich hatte mich auch daran gewöhnt, jede Woche 1 x ein Gespräch zu haben. Es war nicht nur das Gespräch, sondern dieser Termin brachte mich auch gerade in schweren Zeiten dazu, überhaupt raus zu gehen.
Als es dann irgendwann hieß, "Frau Heike, ich möchte ihnen nur früh genug mitteilen, dass nicht mehr all zu viele Stunden zur Verfügung stehen und eine Verlängerung wird es nicht geben", da war ich doch erst mal ziemlich verunsichert. Schaffe ich das, ohne therapeutische Hilfe?
Ich selbst entschied dann mit dem Therapeuten, zwischen den Stunden längere Zeiten zu lassen, erst nur alle 14 Tage, dann irgendwann 1 x im Monat, um es wie ein Medikament langsam ausschleichen zu können. Schon während der Ausschleichphase stellte ich fest, ich kann auch ohne Therapie, mein soziales Netz war inzwischen wieder angewachsen, ich hatte eine Qualifizierung zur Genesungsbegleitung durchlaufen und dadurch ergaben sich neue Ziele und auch selbst hatte ich einige Strategien gelernt oder mir angeeignet, die mich über bestimmte Phase tragen.
Schließlich hatte ich gar nicht alle Stunden aufgebraucht und bin selbst eher aus der Therapie raus und bin schon seit mehreren Jahren ohne. Natürlich manchmal denke ich, es wäre vielleicht nicht vekehrt sich mal wieder einer Therapie zuzuwenden, da noch so einige Baustellen da sind.
Ich sehe es aber auch in anderer Hinsicht, dass Menschen durchaus Potential zeigen und vieles wieder allein schaffen, aber ich habe nur das Gefühl, dass ihnen der Mut fehlt und vielleicht die Angst da ist, zu scheitern. Allerdings laufen manche Unterstützungsmaßnahmen irgendwann auch aus und es ist nicht so einfach eine Verlängerung zu beantragen. Ich habe schon einige erlebt, die vorher recht stabil und in gewisser Hinsicht auch ihre Selbständigkeit zurückerorbert hatten, dann aber in die Krise gingen, da die Unterstützung auslief.
Milla, ich wünsche Dir, dass du auch weiterhin die Unterstützung erfährst, die für dich wichtig ist.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).