@Lichtblick
Du schreibst ''Nur weil wir Medikamente bekommen, sind Manie und Depression nicht weg. Daran sind nicht die Medikamente schuld, sondern die Krankheit." Kannst du das bitte mal an einem Beispiel erklären? Mir geht es ja gerade darum, von euch zu lernen, zu erfahren, was man von Medikamenten erwarten kann und womit man sich nicht zufrieden geben sollte. Ich möchte weder dass meine Tochter 'ruhig gestellt' wird noch dass sie wieder eine Manie oder Depression erleben muss.
Hallo Seawaves,
darauf antworte ich und ich fange anders an als Deine Frage ist.
1. Die bipolare Erkrankung ist chronisch. Mir hat eine Angehörige damals aus dem Internet vorgelesen, als ich noch
nichts über die Krankheit wusste: "Die bipolare Erkrankung ist eine chronische Krankheit, die sich aber gut behandeln
lässt." Inzwischen weiß ich, dass das so nicht stimmt. Aber ich habe das Glück, dass es für mich stimmt.
Dieses Glück könnte Deine Tochter auch haben, falls sie bipolar 1 ist. Manien lassen sich meistens leichter behandeln.
Die Krankheit ist chronisch und muss immer mit Medikamenten behandelt werden. Gemeint sind Psychopharmaka, die
nicht abhängig machen: Neuroleptika, Stimmungsstabilisierer und Antidepressiva. Diese Medikamente greifen in den
Hirnstoffwechsel ein und sollen auch genau das tun.
Hier ein Zitat aus meinen Psychoedukations-Unterlagen: "Durch die Einnahme von Medikamenten wird der gestörte
Nervenstoffwechsel wieder weitgehend normalisiert."
Bis das so erreicht ist, ist das ein elender und langer Prozess. Davon gibt es drei Zeitabschnitte:
1. Akut
2. Erhaltungstherapie
3. Prophylaxe
Die erkläre ich jetzt nicht im Einzelnen. Aber: Weil diese Zeitabschnitte, die mit unterschiedlichen Medikamenten
und Dosierungen verbunden sein können, nicht ausreichend bekannt sind, werden im Forum oft Dinge verglichen,
die man gar nicht vergleichen kann.
Deine Tochter wird akut behandelt. Solltest Du jetzt auf Medikamente gucken, die jemand nimmt, der stabil ist,
dann guckst Du auf jemanden, der meistens eine jahrelange Behandlung mit Medikamenten hinter sich hat.
Mit Medi-Wechsel, Dosierungsänderungen. Und dann hat es auch noch funktioniert.
Weiß man das alles nicht, kann man schnell denken: Wieso machen unsere Ärzte das nicht?
Dann: Wenn Deine Tochter akut behandelt wird, weil die Krankheit ausgebrochen ist, dann gibt es kein
Medikament der Welt, das wie Aspirin auf unseren Hirnstoffwechsel wirkt. Der Schmerz / die Krankheit /
die Symptome verschwinden, sobald das Aspirin da ist. Zack, ist alles wieder gut.
Nein, unsere Medikamente kommen ins Hirn und müssen da alles Mögliche umbauen. Das dauert.
Das lässt sich erklären mit Dopamin und Botenstoffen, aber das bitte nachlesen.
So einfach ist es dann auch wieder nicht:
Nicht jeder verträgt jedes Medikament. Es ist ganz normal: Wir müssen alles ausprobieren.
Meine ideale Kombination mit Lithium und Quetiapin sind mein sechstes und siebtes Medikament.
Nach all den Jahren schreibt sich das leicht, aber ich vergesse diese Einstellungszeit nicht.
Damit wollte ich erklären: Die Krankheit ist nicht weg.
Sie macht sich ständig bemerkbar. Jetzt hat jemand in der Depression Schwierigkeiten, sich
zu konzentrieren. Und denkt: Schuld daran ist ein Medikament. Weil das ja Nebenwirkungen
haben kann. Kann es auch.
Aber das muss man immer mit dem Psychiater abklären. Und der sagt dann: Es ist die
Depression oder das Medikament.
Die Tendenz im Forum ist, immer das Medikament zu verdächtigen. Die Krankheit
ist da selten im Blick.
Und oft genug ist es die Depression. Weil das in dieser Einstellungszeit einfach dazugehört.
Und wie lange das dauert, weiß man auch nicht. Ich war nach vielleicht 18 Monaten
raus aus der Depression.
Jetzt bin ich seit vielen Jahren stabil. Was heißt das eigentlich? Ich merke die Krankheit
extrem selten. Ich erkläre mir das so: Meine Medikamente hatten genug Zeit und Ruhe,
ein stabiles Gerüst aufzubauen. Das hält gut.
Käme ich jetzt auf die Idee, nach allen Regeln der Kunst meine Medikamente auszuschleichen:
dann sind da meine Medikamente schmerzfrei. Die bauen das Gerüst sehr langsam wieder ab.
Hier kommen dann immer die Auseinandersetzungen: Ist unsere chronische Krankheit
dann noch da oder nicht? Selbst meine größten Kritiker hier geben zu, dass auch
ihre Krankheit dann noch da ist.
Und extra für zuma: Für mich (ich als Einzelperson) hat es nichts mit Angst zu tun,
dass ich ein sorgsam aufgebautes Gerüst nicht wieder abbauen lasse, um dann
mal zu gucken, was passiert.
Ich schreibe hier besser ohne Manien. Und das gilt für alles, was ich mache.
Dein Medikamenten-Zickzack ist nichts für solide Gerüstbauer.
Viele Grüße
Cornelia