Was heisst hier denn schon "scheitern"?
...Die Krankheit hat so viele Formen wie es Betroffene gibt. Parallen sind vorhanden, doch das Muster der Phasen, deren Frenquenz, Dauer, Ausprägung nach oben und unten sind in jedem Fall einzigartig.
Drum muss ja auch jeder seinen eigenen Weg finden, damit umzugehen.
Meine Mutter zum beispiel ist bipolar und mittlerweile 66. Sie hat ihre Diagnose bis heute nicht angenommen, niemals die empfohlenen Medikamente eingenommen. Ihre Phasen sind nicht soo ausgeprägt, dass Fremd- oder Selbstgefährdung vorliegt. Wie nicht anders zu erwarten, werden die manischen Phasen häufiger, jedoch kürzer und nicht mehr so ausgeprägt wie früher. Die Depression ist jedoch schlimmer geworden, eigentlicher Dauerzustand zwischen den manischen Phasen. Sie findet ständig äussere Gründe für Ihre Phasen (vorwiegend sind wir Kinder dafür verantwortlich). Dann ist noch eine Angststörung dazu gekommen. Ohne Ihre Kinder wäre sie wohl nicht mehr fähig, selbstständig zu leben. meine Brüder und Schwestern kümmern sich rührend um sie.
So lebt sie mit der total unbehandelten Bipo, nicht einmal Psychotherapie. Irgendwie schafft sie es mit der "ungefilterten" Krankheit zu leben.
Ich habe mich für den anderen Weg entschieden (was uns leider auch auseinandertreibt irgendwie, obwohl ich doch so gerne über unsere gemeinsame Krankheit sprechen würde...).
Als "gescheitert" würde ich sie trotzdem nicht bezeichnen. SIe hat sich mit Ihren vielen Kindern (6) ein Umfeld geschaffen welches sie auffängt. Oft tut es mir weh, sie so leiden zu sehen, aber dann sag ich mir, dass es ja Ihre freie Wahl ist die sie getroffen hat. Und das respektiere ich, manchmal bewundere ich es sogar irgendwie.
Scheitern bedeutet ja, ein Ziel zu verfehlen. Sie hat dieses Ziel gar nicht.
Manchmal denke ich mir, wir haben auch das Recht, die Krankheit auszuleben, die schrecklichen Depressionen in Kauf zu nehmen für die herrliche Manie..aber damit lehne ich mich weit aus dem Fenster...