Re: Hilft eine Psychotherapie?

29. 12. 2020 11:20
Hallo a21s,

da ich nur eine Diagnose der unipolaren Depression habe, kannst du meine Aussage nur bedingt verwenden, da du ja direkt nach Selbstbetroffenen Aussagen suchst.

Doch ich denke für deine Hausarbeit kann es schon gut sein, zunächst Psychotherapie zu erklären. Denn es gibt in Deutschland mehrere zugelassene Psychotherapieformen, wie zum Beispiel die

- Verhaltenstherapie und kognitive Verhalenstherapie
- tiefenpsychologische Psychotherapie
- Psychoanalyse

Da findest du im Internet auch die passenden Erklärungen dazu.

Für viele von uns, egal welche Diagnose betreffend, ist es erst mal schwer, einen Therapieplatz zu finden. Meist müssen wir 5-6 Monate oder noch länger auf einen freien Platz warten und das kann hart sein, wenn man akut Hilfe benötigt. In ländlichen Gegenden ist es nochmals schwerer.

Ab hier ist es jetzt ein Beitrag von jemanden ohne die Bipolar Diagnose, könnte aber evtl. für andere mit dieser Diagnose ein Beispiel sein, wie man dir hier helfen kann:

Ich habe verschiedene Erfahrungen gemacht und würde für mich heute sagen, es kommt sehr darauf an, ob die Person zu mir passt, ob die Chemie stimmt und sich ein Vertrauensverhältnis aufbauen kann und ich in jeder Lage auch ehrlich sein kann, auch wenn es unschöne Dinge sind.

Bei einem Therapeuten hatte ich schlechte Erfahrung gemacht, da er nicht in der Lage war, sich in mich hineinzu versetzen in eine schwer depressive Klientin. Er versuchte seine Überzeugung als kognitiver Verhaltenstherapeut an mich zu vermitteln, die aber gar nicht in der Lage war, die Dinge aufzunehmen. Ich habe gar nicht verstanden, worum es da eigentlich ging. Letztlich landete ich dann in der Klinik.

Aber es gab auch eine gute Erfahrung mit einem tiefenpsychologischen Psychotherapeuten. Nach meiner schlechten Erfahrung brauchte es für mich erst mal Zeit um das Vertrauensverhältnis aufzubauen. Doch er erkannte, wann ich eher in einer akuten Phase war und passte dann seine Vorgehensweise an und wechselte auch die Therapieausrichtung in mal mehr Verhaltenstherapeutischen Maßnahmen oder wenn es mir besser ging, wieder in tiefenpsychologisches Vorgehen.

Das half mir, gerade auch in akuten Situationen dabei zu bleiben und das Gefühl zu haben, gut aufgehoben zu sein. Als das Vertrauensverhältnis eine gute Stabilitä hatte, war es für mich auch gut, mal Kontra von meinem Therapeuten aushalten zu müssen. Es brachte mich dazu, mal über einiges Nachzudenken und meine "Gewissheiten" auf den Prüfstand zu stellen. Dinge auch mal aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Zum Beispiel, dass auch Fehler zum Leben dazugehören und das jeder Mensch seine Ecken und Kanten hat und dies das Menschsein ausmacht. Das half mir, einen besseren Umgang mit meinen Fehlern zu finden (mal mehr, mal weniger) und besser zu ihnen stehen zu können und bei kritischen Anmerkungen nicht gleich ins Mauseloch zu verschwinden.

Auch in Klinikaufenthalten habe ich an Psychotherapien teilgenommen und auch dort war es ebenso, dass die Person und ihr Verhalten eine wichtige Rolle spielte, ob ich davon profitieren konnte oder eher nicht. Spürte ich eine grundsätzliche respektvolle Haltung und ein wahrhaftes Interresse, dann konnte ich selbst dann noch davon profitieren, wenn es zu Konfrontationen kam. War diese Haltung von Anfang an nicht gegeben, habe ich dort nichts rausziehen können.

Insgesamt lernte ich aber auch, dass ein großer Teil auch an mir selbst liegt, denn auch ich muss mich Einlassen können auf die Therapie und die größte Arbeit liegt bei einem selbst.

Die Lebensqualität hat sich in sofern gebessert, dass ich eben auch Handwerkszeug mitbekommen habe, um bei weiteren Phasen gegensteuern zu können und dass ich ein wenig mehr über mich und mein Verhalten gelernt habe und einige Steine, die man sich auch selbst gern auf den Weg legt, besser erkennen kann und manchmal auch in der Lage bin, sie zu umgehen.

Ich wünsche Dir noch einige andere Berichte, vor allem von bipolar Diagnostizierten, die du hoffentlich verwerten kannst.

Viele Grüße Heike

------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).



2-mal bearbeitet. Zuletzt am 29.12.20 11:37.
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a21s 826 28. 12. 2020 21:47

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ÖsiRene 232 28. 12. 2020 23:01

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