Hallo Dauphine,
schön zu lesen, dass du die Weihnachtstage soweit gut überstanden hast. Struktur ist ein wichtiger Haltgeber, wie du selbst schon gespürt hast.
Doch wenn ich deinen ganzen Baum hier verfolge, dann betrübt mich etwas, denn so wie ich die Texte verstehe habe ich den Eindrück, dass DU selbst dabei verloren gehst.
Ich kann Dein Leben natürlich nicht beurteilen und vielleicht habe ich die Texte auch nicht richtig verstanden, aber ich lese davon,
- dass du deine Ängste und Sorgen, nicht mit der Familie, vor allem nicht mit deinem Mann besprechen kannst.
- dass die Themen, die dir wichtig sind, nicht mit deiner Familie teilen kannst
- dass deine Freundinnen von der Familie nicht respektiert werden
Darüberhinaus lese ich,
- dass du dich sehr zurücknimmst und bei jeder Unstimmigkeit vor allem dich selbst verantwortlich fühlst
- dass du das klassische Frauenbild versuchst zu übernehmen, Kinder, Küche, Haushalt etc.
- es scheint, als ob du versuchst auf ganz leisen Sohlen durch die Familie zu gehen, um ja niemanden zu verärgern, um ja keinen Anstoß zu verursachen, bemüht um Harmonie. Die Anderen aber, scheinen bzgl. Harmonie, keine Verantwortung zu übernehmen, zumindest, was ich hier lese, real kann ich es ja nicht beurteilen.
Für mich ist die Frage, ob nicht auch das völlige zurücknehmen und gegen seine eigentlichen Interessen zu handeln um der Harmonie-Willen ebenfalls ein Motor für Phasen sein können. Nicht nur für Depression, sondern auch Futter für eine Manie, die all die aufgestaute Energie, die Wut in manische Energie umwandeln kann. Und dann tatsächlich Tabularasa macht und es dann überzieht und ins Chaos stürzt.
Gerade zum Jahreswechsel überlegen viele Menschen, wie sie das neue Jahr beginnen wollen, wie es werden soll, was sie ändern wollen oder was sie vom alten Jahr ins neue Jahr mitnehmen und was sie auch im alten Jahr belassen und nicht mehr mit sich herumschleppen wollen.
Vielleicht ist es ein gutes Ziel, sich in einer Psychotherapie zu überlegen, wer will ich sein, was sind meine Werte, meine Interessen, wie möchte ich leben, was sind meine Bedürfnisse und wie kann ich diese auch mitteilen, wie wünsche ich, dass mit mir umgegangen wird?
Du sprichst von Künstlerin und Kreativität, die dir wichtig sind. Ich kann es nicht beurteilen und das gilt es vielleicht in einer Therapie herauszufinden, ob dir das Ausleben von Kreativität hilft, dich selbst zu finden und dich zu erden oder ob es auch sein kann, dass du dich darin verlieren kannst und ebenso in eine Phase rutschen kannst.
Kannst du die Kreativität so ausleben, dass es nicht ins manische zu kippen droht, sondern eben nur ein Ausdruck ist von dir selbst, aber du weiterhin geerdet bleibst und am Steuerrad des Lebens bleibst.
Da ist vielleicht Vorarbeit zu leisten, um zu schauen, wie sich frühere Phasen abgespielt haben.
Wie oftmals alles im Leben, ist es wichtig, das richtige Maß zu finden. Struktur, Hausarbeit auch als Meditation, eingebunden sein in einer Gemeinschaft, was eben auch Respekt und eine gewisse Rücksicht gegenüber Andere bedeuten kann ohne sich dabei zu verleugnen oder ganz zurückzunehmen. Doch ebenso auch seine Bedürfnisse, Interessen und Talente zu leben, ohne sich darin ganz zu verlieren.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).