Am Ende aller Möglichkeiten - und dann?

03. 11. 2020 21:52
Hallo ihr Lieben,
endlich schreibe ich Euch mal - obwohl ich wie jeden Abend erschöpft bin. Ich weiß nicht mehr weiter....
Mein Mann (44) erhielt letztes Jahr die Diagnose "Bipolar 2 Störung". Die Diagnose erhielt er in Münster (Uniklinik). Er hatte schon 2018 einige Klinikaufenthalte hinter sich, in der seine "Untaten" und sein Doppelleben in vielen Bereichen innerhalb der letzten 10 Jahre ans Licht kamen. Erst da wurde bewusst wie schwer depressiv er doch schon war (die Maske hat sehr lange sehr fest gesessen).

In Münster wurde er dann 2019 das erste Mal medikamentös eingestellt. Vieles hat nicht geholfen oder er hat es nicht vertragen. Letztes Jahr im Sommer wurde er entlassen mit einem regelrechten Medikamentencocktail. Ich habe den Plan gerade nicht zur Hand, es war eine Mischung aus Elontril, Duloxetin, Lithium, Trazodon, Lithium, Risperidon, Quetiapin. Wir haben dann ein Jahr lang gekämpft und geschaut ob wir in einen Alltag zurückfinden. In dieser Zeit haben wir die Bruchstücke seiner hypomanen Phasen aufgeräumt (Räumungsklage gegen eine Mietnomadin in einem Haus das er heimlich gekauft hat, heimliche Kredite auflösen, er hat seinen Job verloren....).

Die großen Baustellen, von denen er meinte, dass diese ihn in der Depression halten würden, haben wir aufgeräumt. Trotzdem blieb die Depression und wurde sogar noch schlimmer. Auch die Medikamente zeigten Nebenwirkungen. Er kam fast nicht mehr aus dem Bett, konnte sich nichts merken, hatte keine Lust zu nichts. Sein einziges Ziel: Lass den Tag vorübergehen, am besten mit einem Tuch über dem Gesicht.

Seit sechs Wochen ist er nun in Berlin in der Charité. Seine Psychologin hatte ihm das empfohlen weil einer ihrer Patienten dort sehr gute Erfahrungen gemacht hat. Seit vier Wochen bekommt mein Mann nun dreimal pro Woche EKT. Etliche Medikamente wurden abgesetzt. Leider scheint sich noch keine Besserung einzustellen. Zwischendurch war er völlig verwirrt. Jetzt scheint er überwiegend antriebslos und er leidet furchtbar an Gedächtnisstörungen. Mittlerweile kann er weder seine Handies noch seinen Laptop bedienen weil er nicht nur sämtliche Passwörter vergessen hat, sondern an allen Geräten so viel rumgefummelt hat, dass nichts mehr geht. Dabei haben wir ihm die Passwörter bereits mehrfach am Telefon durchgegeben. Er kann sich nicht an seine Therapien erinnern, nicht an unsere Gespräche. Er weiß nur dass er nach Hause will.

Und ich weiß nicht wie es weitergehen soll. Ich selbst war jetzt etliche Monate krank zu Hause -- Erschöpfung. Wir haben zwei Kinder und ich schmeiße den Laden hier allein. Wir haben keine familiäre Unterstützung. Ich renne von A nach B um für uns eine Lösung zu finden -- aber überall schickt man mich weg. Die Krankenversicherung lehnt die Haushaltshilfe ab. Die Pflegedienste haben kein Personal. Die Pflegeberatung schreibt nur "Mann fühlt sich durch Ehefrau gut versorgt". Das Jugendamt meint ich würde das doch alles ganz gut machen.

Aber klar ist: Mein Mann kann nicht mehr nach Hause, denn ich bin am Ende meiner Kräfte und schaffe es nicht mehr, mich hier um ihn zu kümmern. Wir haben mittlerweile schon eine eigene Wohnung für ihn, damit die Kinder ihn nicht zu sehr stressen. Aber da hat er sich oft nicht gut selbst versorgt. Und das Spannende dabei: Wenn man ihn nur mal eine Stunde besucht (so wie zum Beispiel eine Pflegeberatung), dann sieht man das ja nicht immer alles. Man kann sich ganz gut mit ihm unterhalten.... aber dass er das sofort vergisst merkt man ja erst im nächsten Gespräch. UND: Ich bin sein Anker. Seine allergrößte Angst ist, mich zu verlieren.

Was mach ich denn nun? Weiter auf die EKT hoffen? Ihn verlassen und er soll selbst zusehen -- auch wenn ihn das vielleicht in den Suizid treibt? Ambulant betreutes Wohnen (aber wie und wo...)?

Er war Geschäftsführer und hat über 100 Leute geleitet. Heute schafft er es nichtmal die Pflegerin zu rufen um mal ein Kühlakku zu bekommen. Er war fröhlich, zuvorkommend und liebevoll. Heute leidet er nur noch.

Was nun? Ich weiß nicht mehr weiter -- kann ihn doch aber auch nicht hängen lassen. Gibt es hier irgendwelche Ideen?



6-mal bearbeitet. Zuletzt am 03.11.20 22:01.
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aufdersuche 2280 03. 11. 2020 21:52

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Heike 867 03. 11. 2020 23:45

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Ydurt 509 04. 11. 2020 09:01

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aufdersuche 511 04. 11. 2020 09:12

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kinswoman 576 04. 11. 2020 10:33

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dino 665 06. 11. 2020 13:33

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aufdersuche 588 07. 11. 2020 22:52

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binlis 387 10. 11. 2020 14:35

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aufdersuche 305 19. 11. 2020 13:12

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Heike 342 19. 11. 2020 15:13

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dino 330 20. 11. 2020 14:07

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kinswoman 304 20. 11. 2020 15:33

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dino 312 21. 11. 2020 13:18

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kinswoman 326 22. 11. 2020 11:05

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aufdersuche 446 22. 11. 2020 20:37

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38 Jahre bipolar 464 07. 01. 2021 07:03



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