Lieber Rouvi,
ich habe sehr aufmerksam gelesen, was zu deinen Problemen hier alles schon geschrieben wurde. Es tut mir sehr leid, was du und deine Familie durchmachen. Ich sehe deine Verzweiflung und deine bewundernswerte „Sturheit“ mit der du an deiner Liebe zu deiner Frau festhältst. Ich kann mich allen anderen nur anschließen, die dir schon Kraft gewünscht und versucht haben, dir Hoffnung und Trost zu spenden.
Trotzdem muss ich dich leider ganz unsanft an die Realität erinnern: Deine Frau weigert sich trotz akuter Manie, sich stationär behandeln zu lassen. Sie hat sich von dir getrennt und es ist ein Gerichtsverfahren bezüglich Eurer Kinder anhängig, in dem sie sich - was sehr vernünftig ist - anwaltlich vertreten lässt. Dazu kommen noch die unzähligen Verletzungen, die du noch gar nicht wirklich verarbeiten konntest und das ganze inzwischen angerichtete Chaos.
Du musst jetzt dringend aufhören, dir darüber Gedanken zu machen, was alles früher gut war und was irgendwann wieder schön sein könnte, wenn sie vielleicht wieder „normal“ wäre. Fang an endlich radikal zu akzeptieren, was jetzt tatsächlich ist. Nimm endlich ernst, was deine Frau tut und sagt anstatt immer nur alles mit der aktuellen Manie zu rechtfertigen und auf bessere Zeiten zu hoffen. Das ist im Grunde respektlos deiner Frau, deinen Kindern und dir selbst gegenüber.
Setz dich hin und bereite dich auf den Termin am 3.12. vor. Schreibe die Dinge, die geschehen sind so genau wie möglich detailliert auf. Zieh auch du einen Anwalt hinzu, möglichst einen Fachanwalt für Familenrecht. Diesem übergib auch jegliche außergerichtliche Kommunikation mit deiner Frau. Das setzt Ihr die dringend notwendigen Grenzen und verhindert weitere Eskalation. Im Gerichtssaal sorgt ein eigenerer Anwalt für ein besseres Gleichgewicht und mehr Sachlichkeit. Du bist emotional viel zu verstrickt, um dich selbst zu vertreten.
Anstatt die Psychotherapeuten und Ärzte deiner Frau zu bedrängen, such dir lieber psychologische Unterstützung für dich selbst, damit deine Nerven stark sind in allem was auf dich zu kommt. Dafür reicht das Schreiben hier im Forum definitiv nicht aus. Es kommt noch viel auf dich zu und dafür brauchst du den Kopf frei und den Rücken gestärkt.
Möglicherweise sind das jetzt harte und deutliche Worte: Es liegt mir nicht, um den heißen Brei herumzureden. Letztlich sind immer die Kinder die Leid tragenden und auch eine depressive Mutter ist für diese auf Dauer grauenhaft. Möglicherweise wäre also eine Scheidung und ein klar geregeltes Umgangsrecht für die Mutter für alle Beteiligten perspektivisch das Beste. Lass dich dazu bitte anwaltlich beraten.
Ich weiß aus eigenem Erleben, dass es sehr schmerzhaft sein kann, ausschließlich das Wohl des Kindes in den Mittelpunkt zu stellen. Anlässlich meiner bipolaren Erkrankung habe ich das Sorgerecht für meinen Sohn einvernehmlich auf dessen Vater übertragen, als er sechs Jahre alt war. Mir ging es danach wirklich sehr schlecht. Ich war furchtbar traurig, aber ich wusste, dass es richtig für mein Kind war. Inzwischen ist mein Sohn 14 Jahre alt und hat sich in der Obhut seines Vaters gut entwickelt. Wir haben ein sehr gutes und enges Verhältnis, weil ich regelmäßig Umgang mit ihm hatte. Allerdings war ich auch kontinuierlich in ambulanter Behandlung, überwiegend krankheitseinsichtig und in schweren Phasen stets in stationärer Behandlung anstatt draußen rumzuirren und Schaden anzurichten. Mein Sohn hatte großes Glück, weil sein Vater sich von niemanden hat einlullen lassen, weder von mir noch vom Jugendamt. Er wurde vor der Krankheit seiner Mutter erfolgreich beschützt, denn sein Vater hat keine faulen Kompromisse gemacht. Und das rechne ich diesem positiv an.
Liebe heißt oft auch loslassen, aber das ist nicht leicht. Und es ist ein langer Prozess.
Ich hoffe, du kannst mit meiner Ehrlichkeit umgehen.
Alles Gute für dich und deine Familie!