Hallo ihr Lieben,
WARNUNG: Der Text ist lang mit existentiellen Fragen. Bin sehr aufgeregt wegen eurer Gedanken und Reflexionen.
Es ist vorbei.
Ich drehe mich noch einmal um. Da liegt die Klinik. Waschbeton und rote Fenster. Ich halte kurz inne, lasse meine Gedanken aufkommen und gehe dann wieder meines Weges. Ein seltsames, flaues Gefühl macht sich in meiner Magengrube breit.
Ich laufe den schmutzigen und sehr schmalen Fußweg an der Straße lang. Ständig fahren Autos sehr schnell und nahe an mir vorbei. Die Straße glitzert, weil es etwas geregnet hat. Demnächst müsste, nach der nächsten Straßenbiegung, die Bushaltestelle kommen. Da ist sie auch schon.
Ich stehe jetzt seit ca. 25 Minuten an der Haltestelle hier. Da kommt der Bus. Ja, das ist der Bus, der mich zum Hauptbahnhof fährt.
Ich sitze nun im ICE, mit Maske, genau wie im Bus. Es ist schön, wenn man im Zug genügend Platz hat und sich nicht hetzen muss. Ich habe meine linke Gesichtshälfte an die kühle Scheibe gelehnt.Jetzt fährt der Zug schon ca. 30 Minuten. Es regnet und der Fahrtwind „hetzt“ die Regentropfen über die Zugscheibe. Man hört so gut wie gar nichts. Toll, was man mit Technik alles machen kann.
Die ersten Gedanken an die zurückliegende Zeit kommen hoch. Was „bleibt“? Es sind immer die Menschen, die „bleiben“. Vor meinem geistigen Auge tauchen sie noch einmal auf:Die Patienten und das Personal. Ich hoffe von Herzen, das sie eine gute gesundheitliche Entwicklung nehmen. Auf der Station habe ich besondere Menschen kennenlernen dürfen. Verwirrte Menschen, tieftraurige Menschen und besonders mutige Menschen.Jeder trägt etwas Einzigartiges, Unverwechselbares und etwas „Heiliges“ in sich. Ich bin dankbar und demütig für diese Erfahrungen. Kommunikation und Beziehung ist viel, aber nicht alles.
Da kommt die Zugbegleiterin zur Fahrkartenkontrolle. Es ist eine junge Frau, ca.25 Jahre alt, mit blondem Pferdeschwanz. Ihre Haare werden durch einen kleinen „Schmetterling“ zusammengehalten und sie trägt ein rotes Halstuch.
Es ist schon toll. Ich halte ihr lediglich mein Smartphone mit dem DB-Navigator entgegen und sie scannt das ab.
Jetzt habe ich meine Schuhe ausgezogen und lege sie auf das Polster der gegenüberliegenden Sitzbank.
Die Regentropfen „rennen“ wieder auf der Fensterscheibe entlang. Die Scheibe wird immer schmutziger. Baumalleen fliegen an mir vorbei, ein Radfahrer kämpft gegen den Wind, Autos warten an einer einsamen Ampel.
Inzwischen liegen ca. 70 Fahrtminuten hinter mir.
Wenn ich alles zusammenfasse, so konnte mir in meinem Kernanliegen nicht geholfen.
Ich hätte schon gerne mal im Forum meine Kernfrage zur Diskussion gestellt, aber das traue ich mich nicht. Da sind viele Menschen, die viel klüger sind wie ich, die eine fast unwiderlegbare Gedankenstärke aufweisen. Da kann ich nicht mithalten, da bin ich limitiert.
Was soll ich tun, wenn kein Medikament, keine Medikamentenkombination, keine Therapie etwas hilft? Nein, es ist wirklich Bipolar 1 von allen Ärzten ( gefühlt 50 Profis) diagnostiziert worden! Kein Zweifel.
Seltsam, trotzdem „nehme ich etwas mit“ aus dem großen Waschbetonhaus mit den roten Fenstern! Aber was tatsächlich?
Ich bekomme Hunger. Ich esse jetzt eine Kleinigkeit, nach ca. 90 Minuten Fahrtzeit. Furchtbar, ich durchforste meinen schwarz-orangenen Rucksack. Ich werde wahnsinnig, bei „gefühlten tausend Reißverschlüssen“ . Ich finde hier drin einfach nichts! Die Zugbegleiterin kommt.... Jetzt schnell. Habe ich meine Maske auf? Ja! Warum setze ich jetzt die Maske eigentlich auf? Weil ich mich und die anderen Menschen schützen will, und / oder um eine(r) Strafe zu vermeiden? Manchmal bin ich mir da nicht ganz genau sicher.
Um unsere Demokratie mache ich mir auch so meine Gedanken. Sind wir eine „Demokratie ohne Demokratien“? Ist die Demokratie ein „Selbstbedienungsladen“? Jeder nennt sich „Demokrat“, lässt es aber zu, dass die Demokratie „zum Selbstbedienungsladen“ für Machtpolitik wird. Das ist ein brandgefährliches Spiel mit den Errungenschaften der Menschen nach dem 2.Weltkrieg. Das Grundgesetz als Selbstbedienungsladen und Ausschlussargument für Tagesaktualität und Herrschaftspolitik. Vieles ist nachvollziehbar, menschlich und zutiefst verständlich („Die Wahrheit ist immer eine Tochter der Zeit.“ (Aulus Gellius). Mir fehlt bei vielen Leuten aber die politische Bildung, die zu einem politischen Problembewusstsein führt. Sind wir politisch mündig? Ja oder Nein? Ich glaube NEIN!
Da kommt mir noch ein Zitat, welches wie ein Blitzlicht, in meinem Kopf aufleuchtet, wie eine Mahnung aus vergangen Zeiten (abgewandelt): „ Und wir werden nicht mehr anders können als wirtschaftlich zu fühlen, wirtschaftlich zu denken und wirtschaftlich zu handeln... und wir werden nicht mehr frei unser ganzes Leben lang...“). Geld und Corona...... ein weiteres Spannungsfeld, dass fast überhaupt nie aufleuchtet und substanziell reflektiert wird.Es geht um Macht und Geld!
Jetzt versuche ich ein bisschen die Augen zu schließen......
40 Minuten habe ich jetzt geschlummert. Mit trüben Augen blicke ich nach „draußen“ Die Zugbegleiterin hat mich „entdeckt“. Sie blickt friedlich, freundlich und fast liebevoll auf mich, den Schlafenden. Der Schlaf trägt auch, irgendwie, etwas Reines und Magisches in sich.
Ich habe Angst vor zu Hause, dass ich den Anforderungen nicht gewachsen bin, Menschen enttäusche und wieder und wieder Sche...e baue. Ich habe die Menschen, die mir die Türe zu Hause und meine Freunde offenhalten nicht verdient.
Kann ein bipolarer Mensch eine verlässliche Mutter, ein verlässlicher Vater, ein verlässlicher Partner sein? Geht das? Was meint ihr?
Ich war es 25 Jahre mit einem höllischen Aufwand, selbstverachtenden Umgang mit eigenen Gefühlen und Gedanken, Selbsthass und krankhafter Arbeitssucht. Viele große Türen wurden dadurch aufgeschlossen, die eigentlich zentralen Türen des Lebens verschlossen sich aber dadurch.
Ich schaue auf mein Smartphone mit den gesplitterten Ecken und der „nicht farbechten“ Schutzhülle und zu dem meine Tochter mal sagte:“Papa Dein Smartphone ist knallhart.“
Jetzt sind es noch ca. 90 Minuten bis „zu Hause“. Zu Hause? Wo darf ich mich zu Hause fühlen, wenn ich anders bin, wie die anderen Menschen? Es lieben mich Menschen, denen ich Unfassbares zugemutet habe. Deren Zuneigung und Schutz habe ich eigentlich nicht mehr „verdient“.
Wie bringe ich diese Krankheit mit der Formulierung „ein GUTES LEBEN zusammen“?
Was ist für Euch „Vollprofis“ ein GELUNGENES Leben mit der Bipolarität?
Da kommt eine muslimische Frau mit ihren vier Kindern ins Abteil. Zunächst entsetzen bei mir, dann einfach wunderbar : Ein Kind hat Hunger, zwei Kinder haben Angst und ein älteres Kind sucht die gebuchten Sitzplätze. Wunderbar! That’s life“! Ich kann jetzt aber Abtauchen! Für Stimmung ist gesorgt. Diese muslimische Mutter ist für mich eine Heldin, etwas ganz Besonderes, klasse! Sie ist „Mama“, etwas GANZ Besonderes!
Ich muss auf die Toilette. Furchtbar, wie es hier aussieht. Sind wir zivilisiert, wenn wir uns unbeobachtet fühlen? Kann man angesichts dieser desaströsen hygienischen „Erkenntnisse“ uns vertrauen?
Der Zug bahnt sich, unwiederbringlich, seinen Weg.
Gleich bin ich „zu Hause“. Ich versuche mir schon Argumente zurechtzulegen um meine Lebensäußerungen zu rechtfertigen. Es wird in unser Gesellschaft nicht „geboten“, sondern „verlangt“.
Eines wird mir auch eindeutig: Es wird in unserer Gesellschaft erwartet, das man BRINGT, nicht, dass man BEKOMMT!
Ich bin jetzt am „Heimatort“ angekommen. Ich könnte, ehrlich gesagt, kotzen.
Ich danke den Mutigen, die meinen Beitrag gelesen haben.
Seit gut zu Euch selbst.Ihr seit es alle wert!
Danke!!!!
Frankkk
Gebt niemals die Menschlichkeit preis.
„Bitte seid Menschen“ (Holocaust-Überlebende)
