Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

11. 10. 2020 17:53
Hallo in die Runde,

um ehrlich zu sein, weiß ich gar nicht, wie ich hier richtig anfangen soll, um euch einen kleinen Einblick zu geben, was gerade in meinem Leben passiert und wie mich die BPS aktuell extrem beschäftigt. Erst Anfang diesen Jahres habe ich mich intensiver mit der Krankheit beschäftigt und bin Mitglied der DGBS geworden. Ich selbst bin Angehörige und mit den Auswirkungen der Bipolaren Störung groß geworden (meine Mama ist bipolar). Die Krankheit kenne ich seit ca. 18 Jahren bzw. habe ich da als Kind erstmal wahrgenommen, dass irgendwas anders ist an meiner Mama. Meine Mama muss regelmäßig in der Klinik behandelt werden (aufgrund von Manie). Sie ist geschieden, hat keinen Partner (möchte keinen Partner!, lebt lieber alleine). Ich selbst lebe seit über 10 Jahren in einer anderen Stadt, kann nicht mal spontan zum Kaffee trinken vorbeikommen. Wir hatten regelmäßigen Kontakt per Telefon, mindestens einmal pro Woche für ein bis zwei Stunden quasseln oder einfach mal zwischendurch oder wenn ich einen Rat benötigt habe. Und natürlich auch regelmäßiger WhatsApp Kontakt. Wir hatten bisher immer ein super Verhältnis, ich konnte ihr alles erzählen.
In diesem Jahr war meine Mama bereits das dritte Jahr in Folge in stationärer Behandlung. Für ganze 6,5 Monate. Hierbei muss ich euch den Hintergrund geben, dass sie bisher immer per Notarzteinsatz in die Klinik eingeliefert werden musste. Die Nachbarn haben meistens den Notarzt gerufen. Vor zwei Jahren konnte eine Freundin meiner Mama sie überreden, in die Klinik zu gehen. Die Freundin wurde danach aber auch von meiner Mama aus der Freundesliste gestrichen.
Da meine Mama und ich wöchentlich telefonieren, merke ich, wenn es mal wieder so weit ist und die Manie bei ihr Übergriff nimmt (sie erzählt sehr viel, sehr schnell, zum Teil Verschwörungstheorien, wird misstrauisch, ist sehr schnell gereizt, sprunghaft, raucht extrem viel, schläft wenig, verschickt komische WhatsApp usw.). Das war auch der Fall Mitte Februar/Anfang März. Ich vermute, ein Auslöser war der COVID-19 Stress und auch noch die Unstimmigkeiten zwischen ihr und ihren Geschwistern bzgl. der Betreuung meines Opas. Jedenfalls hat eines zum anderen geführt und ich habe ihr direkt am Telefon gesagt, dass ich möchte, dass sie sich mit ihrem Arzt in Verbindung setzt, weil ich glaube, dass die Manie wieder los geht bzw. im vollen Gange ist und ich mir Sorgen mache. Ich habe ihr sogar angeboten, das Taxi zum Arzt zu bezahlen. (Zuvor habe ich ihren behandelten Arzt eine Email geschrieben und sogar angerufen, um ihn meine Beobachtungspunkte zu schildern und ich der Meinung bin, dass sich meine Mom in einer Manie befindet und dringend Hilfe benötigt! ). Alles das habe ich meiner Mama erzählt. Wollte offen mit ihr und ihrer Krankheit umgehen. Jedenfalls hat meine Mama sehr aggressiv reagiert, hat aufgelegt. Nichtsdestotrotz hat sie die Woche weiterhin bei uns angerufen und jedes Mal habe ich zu ihr gesagt, dass sie in die Klinik fahren soll. Wir hatten mal in einer gesunden Phase vereinbart, dass ich ihr das direkt sagen soll. Leider vergisst sie während der Manie diese Vereinbarung und reagiert wütend. Irgendwann ist sie nicht mehr ans Telefon gegangen und ich habe mir Sorgen gemacht. Eine Freundin von mir, welche in der Nähe meiner Mama wohnt, habe ich darum gebeten, einmal bei ihr vorbei zu fahren und bei ihr zu klingeln. Meine Freundin hat dies auch getan, konnte aber meine Mama nicht antreffen. Jedoch waren alle Fenster ihrer Wohnung weit aufgerissen und Sachen von meiner Mama lagen auf dem Hof. Mit einem unguten Gefühl habe ich mit meinem Partner darüber gesprochen und der hat dann gesagt, dass wir den nächsten Tag (Samstag) zu meiner Mama fahren, um zu schauen, was Sache ist. Während der Autofahrt kam dann ein Anruf von der Klinik. Meine Mama war wieder eingeliefert wurden. Ich habe mit der Stationsschwester gesprochen und gesagt, dass wir auf dem Weg zu meiner Mama sind und Sachen vorbeibringen werden. Als wir bei meiner Mama in der Wohnung angekommen sind, war ein Chaos in der Wohnung. Jedenfalls haben wir die Wohnung ein wenig aufgeräumt, Sachen zusammen gepackt und sind zu meiner Mom in die Klinik. Aufgrund von den COVID-Regelungen konnten wir die Sachen nur an der Tür abgeben und kurz meine Mom durch die Scheibe sehen. Da schien noch alles in Ordnung.
Ich muss euch gestehen, dass mich der erneute Krankenhausaufenthalt extrem schockiert und traurig gemacht hat. Es ist extrem belastend, in so kurzer Zeit schon wieder ein Klinik-Aufenthalt. Jedenfalls habe ich die Wochen erstmal verstreichen lassen und mich nicht telefonisch in der Klinik gemeldet. Das ist ein Punkt, den mir meine Mom jetzt richtig übel nimmt. Aber ich würde ihr so gern einfach meine Sicht in Ruhe erklären. Zudem bin ich wütend auf die behandelnden Ärzte. Die kennen Mama und ihre Krankheit schon Ewigkeiten und schaffen es nicht, die Krankheit zu verhindern oder zumindest Mama dazu zubringen, die Krankheit für sich einzugestehen und entsprechend behandeln zu lassen. Irgendwie ist es immer das Gleiche: Manie - Klinik - Depression - zu Hause - geht besser - normal - Manie - Klinik - usw.
Bis auf dieses Mal, ich glaube, sie "hängt" weiterhin in der Manie fest bzw. in einer anderen Persönlichkeit. Ich erkenne meine Mama nicht mehr wieder. Wir waren während ihres Krankenhausaufenthaltes auch nochmal bei ihr und da wurde mir nur von der Stationsschwester gesagt: "Tut uns leid, sie will sie nicht sehen". Oder als ich ihr zum Geburtstag gratulieren wollte (man muss auf Station anrufen und dann bringt ein Pfleger das Telefon) - jedenfalls als sie meinen Namen von dem Pflegepersonal gehört hat, hat sie nur gesagt: "Nein, ich möchte keinen Kontakt mehr zu meiner Tochter".
Daraufhin habe ich dann versucht mit dem behandelnden Arzt zu sprechen und ihm meine Sorgen & Eindrücke geschildert und das der aktuelle Krankheitsverlauf aus meiner Sicht "nicht normal" ist, also nicht so wie in den letzten Jahren und ich das extrem komisch finde. Leider konnte er mir keine wirkliche Auskunft geben, außer, dass er gesagt hat: "Es gibt Patienten, die müssen nur einmal auf Station, dann ist es in Ordnung und dann gibt es Fälle, die sind akuter und die kehren immer und immer wieder zurück auf Station". Der akute Fall ist also meine Mom. Warum das so ist, konnte er mir aber auch nicht beantworten. Er meinte nur, dass ich dem Ganzen noch Zeit geben soll und abwarten soll, bis sich der Groll bei meiner Mama legt. Das Gespräch war im August und kurz danach wurde sie entlassen und ich weiß bis heute nicht, wieso. Ich habe das Gefühl, dass meine Mama die Krankheit bisher immer noch nicht akzeptiert hat. Ja, sie nimmt die Medikamente (trinkt aber auch weiterhin Alkohol). Nein, sie geht nicht zur Therapie. Wenn man sie darauf angesprochen hat, kam immer nur: "Nein, benötige ich nicht, ich habe meine Freunde." Schön und gut das Mama ihre Freunde hat, aber Freunde (und auch Familie) sind nicht neutral. Zudem kennen Freunde und Familie das Krankheitsbild nicht wirklich, ich selbst setzte mich jetzt erst richtig mit der BPS auseinander, weil ich nicht mehr weiter weiß und mich extrem hilflos fühle.
Muss nicht der behandelnde Arzt Mama eine Psychotherapie empfehlen? Vielleicht sogar darauf bestehen, dass sie sowas macht? Vielleicht auch während des Klinikaufenthalts?
Meine Mama ist seit September wieder zu Hause. Das weiß ich aber nicht von ihr persönlich, sondern von einer Freundin von ihr, die das per Zufall erfahren hat, als sie auf der Station angerufen hat und man ihr dort sagte, dass Mama nicht mehr da ist.
Eigentlich hatten wir immer einen engen und sehr guten Kontakt. Nur in diesem Jahr ist irgendwas bei ihr „schief“ gelaufen, was ich selbst leider nicht begreifen kann und auch die Ärzte von ihr nicht weiterhelfen konnte, außer den Tipp zu geben, abzuwarten. Meine Mama hat komplett den Kontakt zu mir abgebrochen.
Habt ihr auch schon Erfahrungen mit so einem Krankheitsverlauf sammeln können? Habt ihr Tipps für mich? Was kann ich tun, damit meine Mama wieder Kontakt zu mir möchte? Wie schätzt ihr die Lage ein?
Die Situation ist komplett neu für mich. Eigentlich hat sie mich immer nach dem Krankenhaus mit einbezogen und ich durfte ihr Mut zu sprechen.
Aktuell bin ich richtig traurig, weil ich "meine" Mama verloren habe, sie möchte keinen Kontakt mehr zu mir und ich verstehe nicht wieso. Man könnte doch über alles reden, es ist nicht schlimmes passiert. Kann es sein, dass meine Mama noch in der falschen Person gefangen ist? Das die Manie weiterhin anhält und meine Mama nur etwas ruhiger gestellt wurde durch die Medikamente?

Schönen Sonntag euch allen!
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Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Mrs.Peanutbutter 1971 11. 10. 2020 17:53

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Milla 364 11. 10. 2020 18:15

Um die Krankheit kümmern

Lichtblick 446 11. 10. 2020 19:26

Re: Um die Krankheit kümmern

bipolar2020 369 11. 10. 2020 21:00

Re: Um die Krankheit kümmern

Mrs.Peanutbutter 316 13. 10. 2020 14:59

Re: Um die Krankheit kümmern

Mrs.Peanutbutter 314 13. 10. 2020 14:55

Meine Krankheit ist kein Arschloch

Lichtblick 355 13. 10. 2020 19:23

Re: Meine Krankheit ist kein Arschloch

Mrs.Peanutbutter 277 17. 10. 2020 16:07

Ihr kümmert euch ja nicht.

Lichtblick 319 19. 10. 2020 13:15

Re: Ihr kümmert euch ja nicht.

kinswoman 335 19. 10. 2020 14:10

kinswoman: Wenn mehr nicht geht, geht mehr nicht.

Lichtblick 392 19. 10. 2020 19:48

Re: kinswoman: Wenn mehr nicht geht, geht mehr nicht.

SophieAlina 273 19. 10. 2020 20:01

Re: kinswoman: Wenn mehr nicht geht, geht mehr nicht.

kinswoman 339 19. 10. 2020 20:06

Re: Ihr kümmert euch ja nicht.

Friday 559 20. 10. 2020 12:20

An Friday und kinswoman

Lichtblick 391 20. 10. 2020 19:56

Re: An Friday und kinswoman

kinswoman 268 20. 10. 2020 21:56

Re: An Friday und kinswoman - Lichtblick

Aradia 536 21. 10. 2020 09:00

Re: An Friday und kinswoman - @Lichtblick

Friday 253 21. 10. 2020 11:33

Re: An Friday und kinswoman

zuma 279 21. 10. 2020 11:35

Re: An Friday und kinswoman-Lichtblick-zuma

Aradia 335 21. 10. 2020 13:22

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Milla 352 13. 10. 2020 19:49

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Aradia 357 15. 10. 2020 04:08

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Miramis 376 15. 10. 2020 05:30

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Miramis 354 15. 10. 2020 05:38

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Mrs.Peanutbutter 347 17. 10. 2020 16:12

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Bohumil 578 22. 10. 2020 17:39

Re: Kontaktabbruch zur Familie nach stationärer Behandlung - Was tun?

Mrs.Peanutbutter 483 25. 10. 2020 13:25



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