Hallo ihr beiden,
wie du Friday habe auch ich diese Zeiten noch miterlebt in einer großen Psychiatrie am Stadtrand mit vielen Häusern, in denen sowohl psychisch Erkrankte behandelt wurden, wie auch geistig Behinderte, manchmal auch mit gemischten Diagnosen und Langzeitpatienten untergebracht waren. In einem großen Raum der Arbeitstherapie begegneten wir uns. Den Hospitalismus in verschiedenen Ausprägungen zu sehen, war schon sehr belastend für schwer Depressive und andere, aber er war dabei und zu sehen.
Die anderen Therapiearten in unserem (Extra-)Haus waren hilfreich für mich und durchaus ein fortschrittliches System. Wahrscheinlich auch, weil wie du Friday schreibst, mehr Zeit für den direkten Patientenkontakt zur Verfügung stand, mehr auch gestaltet werden konnte. Zu der Zeit hatten wir wohl auch Glück mit der damaligen leitenden Psychologin und ihrem Team. Sie haben vieles innovativ angestoßen. Das habe auch ich dann später vermisst.
Diesen Artikel lese ich als ein ganz konkretes Schauen auf einzelne Personen, was aus ihnen wurde nach der Psychiatriereform. Weißt du Zyklo, die verformten Gesichtszüge habe ich noch in real erlebt. Warum sollte man diese nicht auch der Öffentlichkeit zeigen? Voyeuristisch finde ich die Darstellung nicht. Ich lese auch eher einen Bericht über die Wohnform, arbeiten in einer Werkstatt und nicht über Behandlung, psychiatrische Klinik usw.. Das es für Heimbewohner wirklich ein Gewinn ist, nicht mehr in so großen Komplexen untergebracht zu sein, sondern in kleinen Wohnformen, ist hoffentlich unstrittig? Es betrifft uns gutinformierte Bipos eher selten, vermute ich.
Eine Studie über die Zustände in der Psychiatrie im Vergleich, Psychiatriekritik der Gegenwart war wohl nicht Absicht dieses Artikels.
Aber nichts desto Trotz finde ich eure Kritikthemen (Zwangsunterbringung, Inclusion, Medis, vorrangig biochemische Behandlung, Personaleinsparung, Stigmatisierung, Nachsorge) beachtenswert und evtl. auch wert zu veröffentlichen und teile sie.
Vielleicht habt ihr oder du Zyklo Lust auf eine Antwort in der Leserpost?
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Zyklo schrieb:
"Sorry, Cornelia, das ging jetzt überhaupt nicht gegen dich, eher gegen die Darstellung im Artikel und den Tenor, den interessanterweise gerade die Gemeinschaften des christlichen Glaubens raushauen, die nur zu gerne \"solche Leute\" früher auf den Scheiterhaufen gepackt haben. Für mich hat das ein bisschen was Scheinheiliges, aber vielleicht bin ich auch nur viel zu empfindlich... ;-)"
Dieses Thema könnte der Zeitschrift evtl. auch mitgeschickt werden. Ich gebe dabei zu bedenken, dass geschichtlich Kirchen und ihre sich entwickelnden Organisationen in der Armen-/Krankenversorgung lange Zeit die Einzigen waren, die sich diesem Gebiet in der Gesellschaft widmeten. Ja, sie haben diese und andere Menschen auf den Scheiterhaufen gepackt sowohl im direkten wie auch im übertragenen Sinne, andere haben diese Menschen und uns in Käfigen "gehalten", wieder andere haben sie und uns vergast, Sie, die Scheinheiligen, lernten und lernen aus ihren Fehlern. Hilfreich ist dabei, wenn diese öffentlich werden. Öffentlichkeit ist ja bei so vielen Missständen die einzige Hilfe für marginalisierte, diskriminierte, stigmatisierte und traumatisierte Gruppen.
LG
s.