Guten Morgen,
mir ging es ähnlich, wie soulvision. Ich hatte auch in der Depression in der vollstationären Klinik (der aller 1. Aufenthalt) leider eine Erfahrung machen müssen, die mich zutiefst geängstigt und irritiert hatte.
Erst 5 Jahre später hatte ich die Gelegenheit mit dem damaligen Arzt der geschlossenen Abteilung reden zu können, obwohl ich mich gerade mit diesem Arzt in einem Aufnahmegespräch für die Tagesklinik befand.
Das gute daran war, dass er sein Schreibzeug aus der Hand legte, mich ansah und mir einfach zuhörte. Er signalisierte mir damit, dass er das, was ich berichtete und welche Gefühle ich ihm darlegte würdigte. Er fiel mir nicht ins Wort sondern ließ mich zuende erzählen.
Danach erklärte er mir die Umstände in einer Klinik auf einer Geschlossenen Abteilung und wie er als Arzt auch oftmals zwischen den Stühlen sitzt und in wenigen Minuten zwischen möglichem Gefährdungspotential und rechtlichen Aspekten abwägen muss. Seine Schilderung geschah in aller Ruhe und so, dass es keine Rechtfertigung darstellte (so als hätte es keine andere Alternative gegeben), sondern von mir als eine weitere Erfahrung in seiner Lage aufgefasst werden konnte, die neben meiner bestehen konnte.
Wir konnten dann gegenseitig noch Verständnis für die jeweilige Lage aufbringen und er konnte auch sehen, dass manche Dinge im Klinikalltag einfach nicht optimal sind.
Genau dieses Gespräch war es, das mir geholfen hat, wesentlich versöhnlicher damit umgehen zu können und es eine Erleichterung war. Er stimmte mir sogar zu, dass es besser gewesen wäre, wenn ich nicht hätte 5 Jahre warten müssen, auf so eine Gelegenheit.
Auch meine jetzigen Erfahrungen durch meine Tätigkeit im psychiatrischen System, zeigen einerseits auf, wieviel Arbeit noch vor uns liegt, um das System zu reformieren, aber ebenso, dass es einach Grenzen gibt, durch rechtliche, finanzielle und personelle Gegebenheit, wie auch durch menschliche Grenzen des Machbaren.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 27.07.20 11:57.