Re: Wann entscheiden? Kriterien für Berufsunfähgigkeit oder Durchhalten?

11. 06. 2020 11:51
Hallo MabuseMann,

Du siehst es unten in meiner Signatur - ich bin Bipo 2 - aber ich bin berufstätig und Familienvater. Ich habe hier schon einiges geschrieben. Ich bin zwar nur sporadisch anwesend, aber Du kannst einiges über meine Geschichte finden, wenn du nach meinen Posts suchst. Speziell am Anfang war ich sehr offen. Was ich dir heute aber hauptsächlich antworten möchte, ist zum einen, dass man mit einer guten medikamentösen Einstellung, etwas begleitender Psychotherapie und vielleicht sogar noch einer Selbsthilfegruppe viel für sich tun kann. Zum anderen sage ich Dir ganz ehrlich, es war nicht immer einfach für mich und uns. Ich bin mittlerweile 55 Jahre alt, arbeite seit 20 Jahren im gleichen Job in der gleichen Firma, habe zwei Kinder, eines erwachsen, eines schon sehr weit und es ist aktuell mal wieder nicht einfach - siehe mein eigener Threadopener von vorhin. Aber ich bin weit gekommen, wenn es von der finanziellen Absicherung der Familie her betrachtet. Nach meinem Leben davor, diagnostiziert aber unbehandelt, hätte ich nicht gedacht, dass das möglich ist. Ungefähr seit der Geburt von Kind 1 trinke ich also so gut wie nicht mehr, ich bin seitdem auch in medikamentöser Behandlung und habe sowohl mit meinem Arbeitsumfeld wie mit meinem sonstigen Umfeld ein paar stabilisierende Faktoren gehabt. Man hatte mir früh dazu geraten, in begrenztem Umfang Menschen einzuweihen in meine Krankheit. Das hat mir auch immer wieder genutzt. Inwiefern meine Geschichte unkontrolliert weitergetragen wurde, weiß ich nicht, aber ich habe es nur mit wenigen geteilt. Ich weiß, das ist aktuell gar nicht Deine Frage. Aber ich erwähne es, um Dir ein besseres Bild von mir zu verschaffen.
Es ist eher spekulativ von mir, aber ich denke seit einigen Jahren immer wieder über dieses Buch eines sehr jungen Autors nach, der sich über Geld und Lebenszeit und die Zusammenhänge Gedanken gemacht hat: Warum eigentlich genug Geld für alle da ist.
Denn ich habe mich manchmal gefragt, ob mein Durchhalten im Job die Familie andersherum nicht auch sehr viel gekostet hat. Nicht Geld natürlich, das funktioniert(e) ja. Mein Super-Eskapaden hatte ich in den Jahren zwischen 20 und 35 hingelegt. Da war ich noch Junggeselle. Diesbezüglich riskiere ich nur noch wenig. Aber auch zu dem wenigen findest Du in meinen alten Posts etwas zum Thema "Bin ich vielleicht börsensüchtig?". Aber was habe ich ihnen angetan - mit meiner "Befindlichkeit", mit meinem "ich brauche jetzt Zeit für mich, um durchzuhalten", mit meinen Hochphasen, die zum Teil von emotionaler Aggressivität geprägt sind. Mit diesem Herumliegen und scheinbar zu nichts nütze sein. Ich erwähne dazu, dass ich normalerweise in Tiefphasen so lange auf dem Sofa liege und lese oder fernsehe, dass ich Rückenprobleme bekomme. Außerdem lasse ich nicht unerwähnt, dass meine Frau seit ihrer Jugend Diabetes hat und ihrerseits Stress nicht verträgt. Manchmal denke ich, dass wir einander derart schädigen, dass es nicht zum Anschauen ist. Stell Dir vor, wie ich hoch drehe, immer schneller erzähle, immer unbedingter meine großen Gedankengebäude schildern will, während ihr der Blutzuckerspiegel abrutscht und sie sich also nur noch um sich kümmern muss. Wie ich mich dann gebremst fühle und nun auch noch aggressiv werde. Unansehlich. Natürlich ist das hervorragend geeignet, um noch lange Scham und Schuld zu empfinden. Neue Stressoren für mich usw. Und das alles nenne ich oben "nicht zum Anschauen". Aber nun rate, wer anschaut. Zwei empfindsame aufwachsende Kinder schauen, hören und fühlen das alles mit. Was macht das mit denen? Meine Kinder sind sehr ruhig und brav. Aber ist das gut? Oder sind die einfach nur enorm eingeschüchtert?
Das alles wollte ich Dir gerne schildern, um Dir etwas mehr Entscheidungsfutter zu geben. Wie gesagt, von außen betrachtet, läuft es bei uns einigermaßen. Aber wie das drinnen mitunter aussieht, habe ich Dir hier nun einmal geschildert. Und ich frage mich auch manchmal, ob ich nicht längst die Reißleine hätte ziehen müssen, um mich nach Rente etc. umzusehen. Aber ich traue mich nicht. Denn mittlerweile sind Job, Wohnung und unser Auskommen alles so wichtige Stabilitätsfaktoren für mich geworden, dass ich mich gar nichts mehr traue. Außer dass ich an ganz verk...ten Tagen dann mal "krank feiere". Heute ist so einer.

Gruß B.

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Bipolar, Typ II, geb. 1965,
aktuelle Med.: seit Herbst 2021 ohne Medikation
früher Carbamazepin und zeitweise Quetiapin
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Wann entscheiden? Kriterien für Berufsunfähgigkeit oder Durchhalten?

MabuseMann 1586 05. 06. 2020 12:15

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dino 549 05. 06. 2020 15:13

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MabuseMann 556 05. 06. 2020 16:07

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dino 483 05. 06. 2020 16:10

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MabuseMann 553 05. 06. 2020 16:14

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elsbeth 490 05. 06. 2020 21:32

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dino 471 06. 06. 2020 13:57

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FLYHIGH 528 06. 06. 2020 15:42

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NeueWelten 422 08. 06. 2020 07:48

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dino 434 08. 06. 2020 09:33

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MabuseMann 404 08. 06. 2020 22:30

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Milla 484 07. 06. 2020 16:20

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MabuseMann 401 08. 06. 2020 22:28

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zuma 455 08. 06. 2020 23:58

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Bohumil 468 11. 06. 2020 11:51

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MabuseMann 541 11. 06. 2020 12:15

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fluuu2 722 13. 06. 2020 14:10



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