Hilflos nach Trennung

26. 12. 2019 01:45
Hallo, Ihr Lieben,

ich habe mich in diesem Forum angemeldet, weil ich hoffe, hier Tipps und vielleicht Hilfe zu bekommen.

Ich bin 39 Jahre alt, mein Mann auch fast 39. Wir sind seit fast 7 Jahren zusammen, davon seit 3 1/2 Jahren verheiratet. Schon ganz am Anfang unserer Beziehung hat er mir offenbart, dass er mit 19 Jahren versucht hat, sich umzubringen. Er ist nachts auf der Landstraβe mit dem Auto vor einen Baum gefahren und hat nur mit sehr viel Glück überlebt. Er war 4 Monate im Krankenhaus und hat eine Therapie gemacht. Er hatte damals Depressionen, es gab Probleme mit seinen Eltern, er fühlte sich immer schon als schwarzes Schaf (sein 2 Jahre jüngerer Bruder ist das Lieblingskind der Mutter), und er hatte das Gefühl, dass ihn sowieso niemand vermisst. Seinen Eltern hat er damals weisgemacht, dass er aus Liebeskummer nicht mehr leben wollte. Bis heute hat er Schuldgefühle seinen Eltern gegenüber, weil vor allem seine Mutter ihm immer wieder vorgeworfen hat, dass sie wegen ihm die schlimmste Zeit ihres Lebens durchgemacht hat.

Er hatte schon im Grundschulalter Probleme in der Schule, wollte sich nicht anpassen, hatte keine Freunde und wurde dann von Schule zu Schule herumgereicht. Die Eltern waren selbständig und haben sich wohl nicht wirklich gekümmert. Mein Mann wurde auch als Kind hin und wieder geschlagen, das Verhältnis speziell zu seiner Mutter würde ich als ungesund bezeichnen. Er ist ihr quasi hörig, Kritik an ihr macht ihn aggressiv, und sie war von Anfang an gegen unsere Beziehung. Ich habe mich dann irgendwann zurückgezogen und bin nicht mehr zu seiner Familie mitgefahren.

Nach ca. 2 Jahren Beziehung bekam er eine Depression. Er schaffte es nicht, morgens aufzustehen und ins Büro zu fahren. Er ist selbständig, daher ist er auch zunächst nicht zum Arzt gegangen. Ich war in dieser Zeit so gut es ging für ihn da, habe ihn unterstützt und letztendlich davon überzeugt, eine Neurologin aufzusuchen. Nach einigen Wochen ging es ihm wieder besser, er nahm Medikamente und kam wieder gut zurecht. Die Medikamente setzte er irgendwann ab. Ein Jahr später, kurz vor unserer Hochzeit, wurde er zum ersten Mal richtig aggressiv. Obwohl unsere Hochzeitsreise schon lange feststand, wollte seine Mutter plötzlich unbedingt an diesem Wochenende ihren Geburtstag feiern. Er hat die Reise dann einfach verschoben und mich angebrüllt, wenn ich das nicht hinnehmen würde, müssten wir uns eben trennen. Damals hatte ich Angst ihn zu verlieren und habe mich damit arrangiert.

Aus seiner letzten Beziehung hat er einen Sohn, inzwischen 8 Jahre alt. Die ersten 3 Jahre unserer Beziehung hat er ihn alle 2 Wochen, später alle 4 Wochen für einen Tag abgeholt (ca. 1 Stunde Fahrt), ich bin meistens mitgefahren. Zuletzt gab es immer öfter Theater, die Trennung war schmutzig verlaufen, und seine Ex hatte inzwischen geheiratet. Er bekam wieder eine Depression und hat danach den Kontakt zu seinem Sohn komplett abgebrochen. Er fing auf meine Initiative hin eine Psychotherapie an, arbeitete aber nur halbherzig mit. Das Buch, das er zu Hause lesen sollte, lag unbeachtet in der Ecke, und die "Hausaufgaben", die er für den jeweils nächsten Termin anfertigen sollte, machte er schnell morgens im Büro. Irgendwann ging er dann einfach nicht mehr hin. Auch die Eheberatung, die ich arrangierte, nahm er nicht wirklich ernst.

Es kam immer öfter vor, dass er aggressiv wurde und total ausflippte, aus absolut nichtigem Grund, aus heiterem Himmel. Ich erkannte ihn dann nicht wieder, früher war er liebevoll und fürsorglich gewesen. Er war dann wie ein fremder Mensch für mich.

Zwischendurch hatte er dann wieder depressive Phasen, die aber meist nur einige Tage anhielten. 2017 bin ich nach einem Streit wegen seiner Mutter für einige Tage ausgezogen. Ich hatte das Gefühl, dass er wieder in einer Depression hineinschlittert und schlug ihm vor, zum Arzt zu gehen, und dass ich ihn auch begleiten würde, wenn er das möchte. Er lehnte ab, es sei alles in Ordnung. Irgendwann bekam ich mit, dass er diverse Rechnungen nicht bezahlte, u.a. Strom und Internet. Viele Briefe, Knöllchen und Mahnungen, lieβ er ungeöffnet herumliegen. Wenn ich etwas dazu sagte, wurde er wieder aggressiv. Er hatte auch schon einige Kontopfändungen, die aktuellste ist von letzter Woche. Ich habe ihm immer wieder angeboten, mich um seine Rechnungen zu kümmern, er hat das immer abgelehnt. Es geht teilweise um Beträge von 10 Euro fürs Falschparken, die er bis heute einfach nicht bezahlt.

Unser Beziehung verschlechterte sich, er kam abends nach Hause und jammerte im Minutentakt. Dazu kam ständige Migräne, zum Arzt wollte er aber wieder nicht. Irgendwann war ich einfach nur noch genervt, Unternehmungen waren kaum noch möglich. Vor ca. 9 Wochen stand er dann plötzlich morgens um 5 oder 6 Uhr auf (bis dahin lag er immer noch im Bett, wenn ich gegen 9 Uhr das Haus zur Arbeit verlieβ) und kam abends selten vor 22 Uhr nach Hause. An einem Tag am Wochenende fuhr er zu seinen Eltern (sie wohnen 45 Kilometer entfernt), und einen Tag ins Büro. Ein Eheleben war also eigentlich gar nicht mehr möglich. Sex blockte er oft ab, und wenn er dann mal stattfand, sagte er nach kurzer Zeit, es klappe irgendwie nicht. Wir lebten dann mehr oder weniger nebeneinander her. Vor dreieinhalb Wochen kündigte er dann an, mir etwas mitteilen zu wollen. Er saβ am Küchentisch und sagte, er sei seit 3 Jahren unglücklich und wolle sich trennen. Er hätte sich auch mit einer Freundin beraten (eine ehemalige Nachbarin, die sich einige Wochen vorher nach langer Zeit bei ihm gemeldet hatte, weil sie seine berufliche Hilfe brauchte). Er wolle ausziehen, aber er wolle im Guten mit mir auseinandergehen. Dann ist er zu seinen Eltern gefahren und hat dort übernachtet. Am nächsten Tag habe ich dann versucht, nochmal mit ihm zu reden, habe eine Trennung auf Zeit vorgeschlagen. Er blockte alles ab und reagierte kalt und emotionslos, eigentlich untypisch für ihn. Seine Gefühle reichen angeblich nicht mehr aus. Wir wohnen jetzt noch zusammen in unserer gemeinsamen Wohnung, er bleibt jetzt doch hier wohnen, ich werde im Februar ausziehen. Er arbeitet fast nur noch, schläft meist nicht länger als 4-5 Stunden.

Seitdem habe ich sehr viel nachgedacht, recherchiert, war bei einer Psychologin, und mittlerweile habe ich den starken Verdacht, dass er unter einer bipolaren Störung leidet. Obwohl die letzten Monate nicht immer einfach waren und er mir oft vor den Kopf gestoβen hat, möchte ich unsere Ehe nicht aufgeben, weil ich ihn immer noch liebe. Ich möchte ihm so gern helfen, weiβ aber nicht, was ich tun kann. Er hat keine Freunde, Bekanntschaften ziehen sich nach einiger Zeit alle zurück. Er spielt gegenüber anderen Leuten eine Rolle und stellt sich als eine andere Person dar, als er ist, um gemocht zu werden - so ist mein Eindruck. Auβer seinen Eltern hat er niemanden, und auch hier spielt er sich selbst die heile Familie vor. Ich bin seine längste Beziehung, allen andern war es zu kompliziert mit ihm. Auch bei seiner Exfreundin war er oft aggressiv. Ich bin verzweifelt, weil ich nicht mehr an ihn herankomme. Ich weiβ, dass tief in ihm vergraben ein anderen Mensch liegt, den ich sehr vermisse.

Vielleicht kann mir jemand von euch Angehörigen/Betroffenen einen Rat geben, wie ich mich verhalten kann. Kann man jemandem helfen, der sich nicht helfen lassen will?
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Hilflos nach Trennung

Misery 2249 26. 12. 2019 01:45

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A20213 735 26. 12. 2019 09:34

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Misery 770 26. 12. 2019 11:44

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Mondin 679 26. 12. 2019 12:47

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Misery 655 26. 12. 2019 13:31

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FLYHIGH 742 26. 12. 2019 13:45

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Rhoda Nid 717 08. 01. 2020 01:59

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Rhoda Nid 869 08. 01. 2020 02:38

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Midori 687 05. 05. 2020 06:03



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