Hallo soulvision,
nein es stört mich nicht, auch mir geht es so, dass ich bisher den Austausch als sehr empathisch und feinfühlig empfunden habe und es mir dadurch auch möglich ist, darüber zu schreiben.
Ich hoffe du hast neben den Erfahrungen mit den Tabu's, dennoch viele Impulse und schöne Erfahrungen aus der Woche mitnehmen können. Für mich war die Unterbrechung auch ganz gut, denn bei solch einem Thema muss ich auch aufpassen, für mich nicht zu lange und zu tief zu schürfen, wenn du verstehst was ich meine.
Wenn man Erfahrungen mit noch weitaus mehr Tabus in der Gesellschaft gemacht hat, kann ich mir vorstellen, dass man einerseits die hiesige "Freiheit" doch mehr zu schätzen weiß und wesentlich bewusster bemerkt, was hier doch schon alles möglich ist und andererseit, wie behindernd Tabus sich auswirken können und statt Austausch nur Schweigen da ist.
Ja, sicherlich, die Gesellschaft, aber vor allem auch die Hilfesysteme haben auch dazu gelernt, vielleicht auch eben mit Hilfe von mutigen Outern und Vordenkern und ich hoffe es geht in diese Richtung weiter, so dass über Tabus noch mehr gesprochen werden kann im Sinne von Preventionsmöglichkeiten. Aber wie du schon erwähnst, braucht es dafür immer ebenso eine Differenziertheit, Fingerspitzengefühl und eine individuelle Betrachtungsweise. Pauschal kann man auch bei diesem Thema keine richtige und falsche Vorgehensweise beim Umgang mit S-Gedanken, bzw. beim darüber reden festmachen. Es ist bei jedem Einzelfall abzuwägen, was hier gerade benötigt wird.
Kein Mensch steckt soweit in einem anderen drin, um sicher abschätzen zu können, was im anderen gerade vorgeht. Das geht nur über Kommunikation und Vertrauensaufbau, gegenseitig, was Zeit und Gelegenheit braucht.
Das ist richtig. Ich habe durch meine Arbeit schon einige Supervisionen oder Forbildungen über dieses Thema gehabt. Das empfinde ich auch wichtig, dass die Helfenden selbst über die Situation reden und sich entlasten können.
Leider - damit vergeben sich die professionellen Leiter so einiges und bewirken für die betroffenen Teilnehmer Begrenzungen oder Kommunikationshemmungen aber vielleicht auch für manche, die evtl. getriggert würden, Schutz.
Ich finde dieses Feld ambivalenter als andere psychiatrische Themen.
Ja, es ist ein ambivalentes Feld und natürlich haben wir, die darüber Reden, hier im Forum auch eine große Verantwortung. Deshalb versuche ich hier den Bogen zur Überwindung dieser Gedanken zu finden, also von, "so fühlt es sich an" zu "und das hat mir bei der Überwindung geholfen". Wobei auch bei der Beschreibung ich versuch darauf zu achten, weder mich selbst, noch andere zu triggern.
Klar soll es auch ein Schutz sein, gerade wenn jemand ganz dicht dran ist und sich gerade nicht so abgrenzen kann. Da ist es natürlich eine Kunst, das Thema so anzugehen, dass einerseits Schutz da ist, aber andererseits, eine Möglichkeit des Austausches über den hilfreichen Umgang damit möglich ist. Im Forum ist es natürlich noch schwieriger, als im Austausch von Angesicht zu Angesicht.
Es bedarf also im realen Leben noch mehr Möglichkeiten, damit Menschen sich öffnen können ohne Ängste davor und andererseits braucht es Personen, die das, am Besten im Team tragen können. Welche Settings und niederschwellige Möglichkeiten braucht es also dazu, wie z.B. 24/7 Krisentelefone, Krisenteams und Krisenpensionen.
Zum Thema Aufbau meiner Wahrnehmung und meines Umgangs. Sicherlich sind das gute Ressourcen, aber ich selber würde wie ein guter Bergsteiger, mich nicht durch meine Erfahrung in Sicherheit wiegen, sondern weiterhin achtsam sein. Ich weiß eben auch, dass es bei mir Zeiten gibt, wo es mir schwer fällt an meine eigenen Ressourcen zu kommen. Nicht immer sind sie bei mir auch stets abrufbar.
Damit ändert sich auch unsere Perspektive auf die eigene Suiziderfahrung, oder? :)
Ja, bzw. Innenansicht und Außenansicht können durchaus differieren und sich dennoch auch ergänzen, um einen vollständigeren Blick darauf zu haben. Die Sorgen, Nöte und Hilflosigkeiten, aber auch der weiteren Gedanken auch der Außenstehenden, zu dem das Hilfesystem ja dazugehört, kann einem die Dimension und die vielschichtigen Aspekte nochmals vor Augen führen.
Ich danke auch für die weiteren Überlegungen und Aspekte deiner Ausführungen.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).