Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

06. 11. 2019 12:56

Hallo Soulvision,

> vielen Dank für deine detaillierte und offene
> Beschreibung. Deine Wahrnehmung empfinde ich als
> sehr reflektiert und genau. Da bist du sicher
> schon einen langen Weg gegangen.

ja, zu meinen Depressionsphasen gehören Suizidgedanken klar dazu, mal mehr, mal weniger, mal nur latent. Gott sei Dank blieb die Ausführung bis auf wenige Male begrenzt. Aber solche Gedanken können auch quälend sein.

> Nimmst du das Medi weiterhin? Bist du die
> Suizidgedanken jetzt nach der Einschleichphase los
> oder "schauen" sie ab und an noch manchmal
> "vorbei"?

Ich habe das Medi viele Jahre genommen und während dieser Zeit hatte ich kaum S-Gedanken, eher nur latent, so nach dem Motto: "Wenn ich aus der Tür raus gehe und mir fällt ein Stein auf dem Kopf, wäre ich auch nicht böse drum". Solche Gedanken waren aber nur für einen kleinen Moment da und wieder weg, sie setzten sich nicht fest.

In dieser Zeit hatte ich durch Unachtsamkeit (Medis vergessen mitzunehmen auf einer Reise) 2 x einen kalten Entzug, der dann eine Absetz-Depression mit heftigen S-Gedanken freisetzte. Eigentlich merkte ich erst darüber, dass mich vorher wohl das Medikament zuverlässig vor diesen Gedanken geschützt hatte.

Jetzt bin ich leider in die Wechseljahre geraten und einerseits ließ die Wirkung des Medikaments nach, obwohl ich auf der Höchstdosis war und andererseits nahmen die Nebenwirkungen zu, so dass ich mehr unter den Nebenwirkungen litt und dadurch unausgeglichener wurde. Dann habe ich langsam das Medi ausgeschlichen, diesmal durch das langsame Ausschleichen keine S-Gedanken bekommen.

> Sprichst du hier vom Reden in Form von berichten
> oder zugeben, "ja ich habe Suizidgedanken" in der
> und der Stärke gegenüber wem? Oder war es ein
> Reden, ein Beschäftigen damit im Rahmen einer
> Therapie?
> Ich habe damals nicht drüber geredet, lebte
> allein und wurde auch nicht gefragt. Es war noch
> eine andere Zeit.
> Schön dass du vertrauen und reden konntest und
> gehört, verstanden und ernst genommen wurdest.

Zunächst ist ja immer die Angst da, wenn ich darüber Rede, was wird dann passieren? Es ist also nicht so einfach, sich mitzuteilen und dann auch noch jemanden finden, der das mittragen kann ohne selbst stark belastet zu werden.

Aber ich habe im sozialen Netzwerk dann auch Selbstbetroffene, wo ich meine, dass sie damit umgehen können und konnte darüber reden, also vor allem zunächst sagen, dass ich welche habe. In gegenseitiger Vereinbarung lösten wir es, indem die Person anbot mich mehrmals in der Woche anzurufen und ich dann auch wusste, dass ich ran gehen musste, um die Person nicht zu belasten.

Als ich noch in Therapie war, schaffte ich es auch, nach einiger Zeit in der Einschleichphase des Medikamentes, meinen Therapeuten darüber in Kenntnis zu setzen, auch er bot an, dass wir uns öfter sehen könnten, dass ich auch telefonisch auf den Anrufbeantworten sprechen könnte, bzw. er auch in der Lage war, mir schnell ein Klinikbett zu besorgen, falls dies besser wäre.

Das Forum hatte ich glaube nur indirekt benutzt, eher im Sinne von, dass es mehr Möglichkeiten bräuchte, ohne Ängste darüber reden zu können.

Diese Zeiten des Nichtredens kenne ich auch, das waren auch die Zeiten, wo es dann eher zu "Versuchen" kam. Was aber im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass wer darüber redet, es nicht tun würde. Und auch aus der näheren Vergangenheit kenne ich es, dass ich längere Zeit brauche, bis ich bereit bin, darüber zu reden, es geht nicht gleich.

> Wunderbar, dass du diesen klaren Moment
> während dieser Gedanken hattest. Wie du
> schon schreibst, ist die Stärke der Ausprägung
> wohl ebenfalls ein entscheidender Faktor.

Das ist richtig, jede Depression und die dann auftretenden Gedanken sind in Ausprägung und Form unterschiedlich. Mal kann ich mich dagegen mehr erwehren, mal ist es schwieriger.

Es half mir auch schon, dass ich dachte, "du könntest es jederzeit tun, aber musst es heute, morgen und übermogen noch nicht tun", was mir ermöglichte, mich über diese Zeit zu "retten".

Eine kleine Anekdote: ca. 1 Jahr nach meiner EX-IN-Ausbildung hatte ich durch oben beschriebenen kalten Entzug diese S-Gedanken. Nachdem ich längere Zeit in dieser Grübelspirale verharrt hatte, schoß auf einem Mal folgender Gedanken in meinen Kopf: "Was für ein Quatsch, da habe ich die Ausbildung gemacht, Geld und Zeit investiert, dort sogar eine neue Freundin kennen gelernt, um jetzt einfach zu verschwinden?". Das half mir dann mich davon zu lösen, mit jemanden zu reden und diese Zeit zu überbrücken.

Ich glaube, es ist noch etwas anderes, wenn man jemanden von außen in dieser Phase begleitet oder beobachtet, so wie du es aus deinem Umfeld beschrieben hast. Gegen diese Hoffnungslosigkeit ist schwer anzukommen. Wenn ich jemanden ins Vertrauen ziehe, dann ist das ja schon eine Option mir helfen zu lassen, was nicht bei jedem gegeben ist.

Auch wenn wir selbst diese Gedanken kennen, sie reflektieren können, vielleicht für uns auch einen Weg gefunden haben, damit umzugehen, so sind wir dennoch sehr berührt, wenn es jemand anderen betrifft und manchmal eben auch hilflos. Und ist das nicht auch ein Thema, was auch sein darf?

>
> Dir alles Gute!
> LG
> s.

Viele Grüße Heike


------------------ Signatur --------------------------

Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.

"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).
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Nebenwirkung : Suizidgedanken

Almandin 2348 03. 11. 2019 16:37

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

soulvision 573 03. 11. 2019 17:24

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Heike 495 03. 11. 2019 17:41

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Almandin 548 03. 11. 2019 18:07

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

elsbeth 635 03. 11. 2019 19:15

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

soulvision 411 06. 11. 2019 10:23

@soulvision

elsbeth 551 06. 11. 2019 16:02

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

soulvision 494 06. 11. 2019 10:11

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Heike 438 06. 11. 2019 12:56

Re: @Heike & elsbeth

soulvision 441 08. 11. 2019 10:17

@soulvision

Heike 457 08. 11. 2019 12:49

Re: @soulvision

soulvision 463 20. 11. 2019 20:24

Re: @soulvision

Heike 432 20. 11. 2019 21:52

Re: @soulvision

soulvision 477 29. 11. 2019 17:39

Re: @soulvision

Heike 572 02. 12. 2019 19:21

Re: @soulvision

soulvision 636 03. 12. 2019 12:24

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Roquentin 470 24. 11. 2019 15:14

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Almandin 450 24. 11. 2019 16:57

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

FLYHIGH 401 24. 11. 2019 17:22

Re: Nebenwirkung : Suizidgedanken

Heike 525 24. 11. 2019 17:31



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