02. 09. 2019 00:47
Hallo Sputnik19,

Also ich habe genau das, wovon du schreibst sehr intensiv betrieben - ich würde sagen sogar exzessiv damals. Es gibt natürlich mehrere Methoden das Ziel zu erreichen. Ich hatte täglich mehrere Stunden meditiert, wo es genau darum geht nicht in Gedanken hängen zu bleiben sondern ins hier und jetzt hinein zu kommen.

Und alles schön im Übergang von Normalität zur Grenze an die Manie heran. Meiner Meinung nach setzt genau da die Wirksamkeit des Ganzen aus, weil genau das die Natur der Erkrankung ist: Man verliert die Fähigkeit sich mit den Gedanken nicht zu identifizieren, ihnen zu glauben, sie nur für Gedanken zu halten - die reine Fähigkeit ist quasi nicht mehr vorhanden und so ist es teilweise auch mit der starken Depression.

Und jetzt zum Hauptproblem: In der Übergangsphase zur Depression oder Manie erlangte ich diesen Zustand der teilweisen "Gedankenungebundenheit" nur beim Meditieren. Das heißt den Rest des Tages indem ich meinem Alltag weiter nachging (Sport, Studium, was auch immer) wüteten die Gedanken und vermehrten sich, wurden schneller, es geriet außer Kontrolle, sodass dann auch auch kein Meditieren mehr möglich war obwohl ich das Monate lang regelmäßig täglich (vorher auch regelmäßig aber nicht exzessiv) gemacht habe und es eigentlich kein Problem mehr sein sollte. Jetzt könnte man meinen, hätte ich mich die ganze Zeit nur in einem "ruhigem Umfeld" aufgehalten, mich abgeschottet und noch mehr meditiert, wäre das nicht eskaliert - gut möglich, nur so sehen nun mal die Leben von den meisten Menschen in der Realität nicht aus und das bleibt generell eine Theorie. Schüler gehen zur Schule, intakte Familien haben ein reges Familienleben, Berufstätige gehen zur Arbeit usw. Genauso haben auch die wenigsten Jahrzehntelange Meditationserfahrung und können den Zustand selbst bei Alltagsaktivitäten aufrecht erhalten. Es ist also fraglich, ob dich deine jetzige Einstellung und dein "Skill" damals vor irgendwas bewahrt hätten, da du die Konsequenzen überhaupt nicht einschätzen hättest können und auch nicht gewusst hättest, was sonst noch gut gewesen wäre um mit den Anfängen der Zustände umzugehen. Bei mir war es jedenfalls so. Ich konnte schön die Gedanken in der Meditation ziehen lassen und zusehen, wie es immer mehr ins verderben ging ohne genau zu wissen, was zu tun ist.

Nichtsdestotrotz halte ich die Methode immernoch für sinnvoll, vor allem um zu entdecken, was in einem überhaupt vor geht - das kann sehr hilfreich sein um Frühwarnzeichen zu entdecken und dann entsprechend gegenzusteuern, vor allem wenn einem der Zugang zu seinen Gefühlen fehlt, aus welchen Gründen auch immer. Auch ein gesünderen Umgang mit Emotionen kann so erreicht werden. Und zudem kann man auch ganz andere Perspektiven zu seiner jetzigen Situation und völlig andere Einstellungen entwickeln die einen nicht mehr Lähmen oder aus Reflex voreilig Handeln lassen, sondern zum Umsetzen von kontrollierteren Lösungen, bzw. Suche von Hilfe bringen (vorausgesetzt der Krankheitszustand ist nicht zu schlimm).

Zusammenfassend, was ich damit sagen will: ich halte diese Methode und alle die das gleiche Ziel haben nicht für einen Ersatz zur Prophylaxe die bisher empfohlen wird aber als eine sinnvolle Ergänzung die einen Versuch wert ist, vor allem wenn andere Therapien nicht den gewünschten Erfolg bringen. Und das tue nicht nur ich sondern auch die Forschung (z.B. Mindfulness for Bipolar Disorder, Marchand), es gibt Therapieformen auch für die Bipolare Störung die genau in diese Richtung gehen (Achtsamkeitsbasierte Kognitive Therapie bei Bipolaren Störungen, Deckersbach) und selbst in der Klinik waren bei mir Einführungen in Achtsamkeit Teil der Psychoedukation, weil es halt manchen hilft mit der Störung und deren Symptomen besser zurecht zu kommen. In reiner Depressions- und Angstforschung ist schon seit längerem (15+ Jahre?) bekannt, dass die Methoden durchaus zu Linderung führen können.

Gruß,
roobb
Thema Autor Klicks Datum/Zeit

Prophylaxe: Die "Gedanken" als Hauptgefahr für Entgleisung der Stimmung

Sputnik19 1225 29. 08. 2019 11:24

Re: Prophylaxe: Die "Gedanken" als Hauptgefahr für Entgleisung der Stimmung

Deborah 366 29. 08. 2019 12:56

Re: Prophylaxe: Die "Gedanken" als Hauptgefahr für Entgleisung der Stimmung

Sputnik19 287 01. 09. 2019 22:14

Re: Prophylaxe: Die "Gedanken" als Hauptgefahr für Entgleisung der Stimmung

nebulos 248 01. 09. 2019 22:29

Die Krankheit ist ja auch noch da

Lichtblick 294 01. 09. 2019 22:48

Re: Prophylaxe: Die "Gedanken" als Hauptgefahr für Entgleisung der Stimmung @Sputnik

roobb 696 02. 09. 2019 00:47



In diesem Forum dürfen leider nur registrierte Teilnehmer schreiben.

Klicken Sie hier, um sich einzuloggen