Hallo Cobipol84,
ich verfolge deinen Thread von Anfang an, kam aber noch nicht so recht dazu, meine Geschichte beizusteuern. Ich finde die Idee aber gut und hilfreich und auch, wenn ich meine schon einmal geteilt habe (allerdings damals ohne Reaktionen), würde ich es hier gerne nochmal tun.
Ich lernte meinen Mann vor etwa sieben Jahren kennen, vor etwa sechs Jahren kamen wir zusammen. Er war frisch getrennt und teilte mir recht schnell mit, dass er viele Beziehungen hatte, immer einen 2-Jahres-Rhythmus und quasi nie Single war. Er beendete die eine und fing zeitgleich eine neue an. Ich fand das zwar "beunruhigend", war aber auch einerseits verknallt und andererseits recht nüchtern: wenn es bei mir dazu kommt, muss ich dann sehen, wie ich damit umgehe. Deswegen keine Beziehung einzugehen kam aber für mich nicht in Frage; dafür war es einfach "zu schön".
Nach vier Jahren Beziehung war es dann soweit: ich bemerkte, dass seine Stimmung komplett gekippt war - von einen Tag auf den anderen. Er gestand mir, dass er sich so fühlt, wie kurz-vor-Schluss mit seinen anderen Partnerinnen: gehetzt, getrieben, unruhig. Er war extrem angespannt, ernst, unglücklich. Ich war schockiert und habe ein paar Stunden gebraucht, ihn dann aber auf Depressionen angesprochen. Er machte einen "Online-Test" und der bestätigte das. Natürlich wollte ich, dass er sich Hilfe sucht, aber soweit war er nicht. Er dachte, dass er, wenn er ja jetzt weiß, worum es geht, das schon alleine schafft.
Ein Jahr lief das so, immer noch mit Kuscheln, Nähe, aber "angespannt".
Nach fünf Jahren Beziehung dann der "endgültige" Schlussstrich: er war auf dem Rückweg einer Dienstreise, schrieb mir im Zug, wie sehr er sich auf mich freut und auf Ruhe. Am nächsten Tag war ALLES anders. Die Stimmung komplett runter, rastlos, unruhig, getrieben - das volle Programm. Es ging NICHTS mehr. Es war, als hätte man ihn ausgetauscht. Ich bin dann, um ihm Raum zu geben, zu einer Freundin gezogen. In dieser Zeit machte er Party (mit Leuten, die er noch nie mochte) und lernte auch eine andere Frau kennen. Mich verletzte das zutiefst und ich dachte, er lenkt sich ab oder so. Ich holte Freunde ins Boot, die ihn (gemeinsam mit mir) davon überzeugten, dass er professionelle Hilfe braucht. Nach zwei Monaten des Redens sah er das zum Glück endlich ein und kümmerte sich.
Wir hatten täglichen Kontakt und haben uns auch sehr oft gesehen. Ich war immer noch seine erste Vertrauensperson und irgendwann erzählte er mir von mehrfach täglichen Stimmungssschwankungen von "extrem positiv und hoffnungsvoll" zu "absolut verzweifelt". Ich wusste, dass Stimmungsschwankungen auch bei Depressionen dazu gehören können und drängte ihn zu einem Medikament, da seine Psychotherapie noch nicht bewilligt war.
Danach erlebten wir ein turbulentes Jahr, was von getrennt und zusammen (leben) geprägt war. Dieses Jahr setze er sein Medikament ab und bekam so eindeutige Stimmungswechsel, dass mir schlecht vor plötzlicher Erkenntnis wurde: er schlief deutlich weniger, flirtet mit ALLEN (Männern, Frauen, egal - und dabei ist er eigentlich richtig reserviert!), machte ganz viele Pläne, dachte an tausend Sachen gleichzeitig, redete wahnsinnig viel (wie gesagt - eigentlich total reservierter und wortkarger Norddeutscher).
Das macht mir schwer zu schaffen: wer war der Mann, den ich lieb(t)e? Was, wenn nur die hypomane Variante von ihm sich überhaupt in mich verliebt hat? Wenn "er" mich nie richtig liebte? Mich beschäftigt das quasi durchgehend. Er macht ganz viel mit sich aus und seine Therapie hilft ihm wirklich, aber er möchte jetzt keine Beziehung. Was heißt das für mich? Dass er einfach (sinnvollerweise) endlich an sich selbst arbeitet und deswegen JETZT GERADE nicht mag? Oder, dass er mit mir sowieso nie eine führen wird, weil die Beziehung auf eine Hypomanie aufgebaut wurde? Kann man (mindestens) zwei Jahre hypoman sein, denn so lange war unsere Beziehung definitiv komplett dufte? Wenn sein "reserviertes Selbst" tatsächlich "er" ist, dann hat "er" mich richtig geliebt. Aber ansonsten: wer ist "er" überhaupt?
Ich finde darauf keine Antwort und habe mir erstmal selbst wieder Hilfe gesucht um zu schauen, was ich daraus mache. Das kann ich ansonsten jedem Angehörigen raten: sucht euch euren eigenen Therapeuten, der mit euch genau schaut, wie es EUCH geht. Der euch nicht "nur" als Anhängsel eines Erkrankten sieht, sondern als Menschen, der auch eigene Probleme hat - auf Arbeit, mit der Familie ... die kommen ja alle noch dazu.
Falls es jemand liest - danke für die Mühe und Geduld!
Liebe Grüße,
Spheniscus