Hi Joggeline,
nach meiner Erfahrung ist das nicht so. Allerdings bin ich überzeugt davon, dass der Ausbruch einer bipolaren Phase - eine 'ständige Krankheit' ist es in meinen Augen ja nicht - sehr davon abhängig - von der Medikamenteneinnahme abgesehen - wie man sein eigenes Leben einrichtet.
Und in diesem Punkt bin ich, schon seit vielen Jahren, der festen Überzeugung dass man sich da nichts vormachen sollte. Ein Leben im üblichen Modus - geprägt von Erfolgsstreben oder Erfolgsdruck im Beruf, von Konsumorientierung jeder Art, von Erreichen-Wollen jeder Art, und dann nicht selten auch noch von 'Entspannungs-Suche' durch Genuss von Alkohol, Nikotin oder gar anderen Drogen - führt garantiert in den nächsten Absturz. Sei es die Manie sei es die Depression.
Es ist mir im Laufe der letzten Jahre, insbesondere des vergangenen Jahres, klar geworden, wie grundstürzend die Änderungen in der 'üblichen' Lebensführung sein müssen, um mit anhaltender Gesundheit rechnen zu dürfen. Die Medikamente sind wichtig - aber 'einfach darauf verlassen' und 'alles andere so weitermachen wie bisher' - DAS funktioniert meines Erachtens nicht.
Nach meiner Erfahrung, für mich selbst, habe ich als zentral wichtig erkannt, ein wirklich ruhiges Leben zu führen. Ein Leben in der Stille. Ein Leben im Rückzugs-Modus, soweit es nur eben geht. In diesem Punkt bin ich sehr froh dass ich das Berufsleben hinter mir habe.
Für mich bedeutet es: Täglich den Verzicht üben. Vor allem Verzicht auf irgendwelche im Grunde sinnlosen Berieselungen aus den 'Medien'. Auch Verzicht auf Musik, ganz weitgehend. Verzicht auf Konsumieren wo es nur geht. Teetrinken. Achtsames Einkaufen von guten Lebensmitteln, täglich selbst mit frischen Zutaten kochen. Gute Bücher lesen. Regelmäßig früh schlafen gehen. Mit den eigenen Haustieren sprechen, mit ihnen spielen, sie streicheln, für sie sorgen. Täglich einen Spaziergang im Grünen machen, und wenn es nur 20 Minuten sind - aber allein !! (Hund darf natürlich mit!). 'Sozialkontakte' - nur ganz ausgewählte, handverlesene, die keine 'Aufreger' im Gepäck haben.
Ein Leben im Rückzugs-Modus ist nicht langweilig. Man wird auch nicht 'dümmer' dabei; im Gegenteil. Ein Leben im Rückzugs-Modus ist allerdings - in jeder Hinsicht - eine 'drastische Kehrtwende', darauf muss man sich selbst und auch Angehörige vorbereiten und einstellen.
Einfach mal ausprobieren! Keine Angst haben vor 'der Stille'. Ja, es ist am Anfang ungewohnt, für manch einen sogar sehr. Aber ich empfehle, nicht gleich aufzugeben. Die Stille ist eine raffiniert verschleierte Schönheit. Wir brauchen Geduld. Als humoriges Beispiel, wie schwierig es tatsächlich ist: Ich lebe (glücklicherweise) auf dem Land; schon tagsüber ist es still, aber des Nachts ist außer Naturgeräuschen kein Mucks zu hören. Vergangenes Jahr hat mich eine alte Schulfreundin besucht. Sie hatte Schwierigkeiten zu schlafen - "weil es so still war" - !!!
Also nur Mut. Mut und Zuversicht und Entschlusskraft.
LG Sputnik19