Hallo,
ich arbeite seit über 5 Jahren in der Sozialpsychiatrie, direkt in einem Wohnheim mit Menschen, mit teils schwer ausgeprägten psychischen Beeinträchtigungen. Ich nehme an Schulungen, Dienstbesprechungen, Supervisionen teil, lese Fachbücher und nehme auch an Fachtagungen teil. Ich bin Mitglied im sozialpsychiatrischen Verbund und die dortigen Besprechungen, geben ebenso wieder, was zur Zeit in der Fachwelt besprochen wird.
Das Konzept der Genesung (hier nicht im Sinne von Heilung verstanden) wird nicht mehr nur diskutiert, sondern findet immer mehr und mehr Anwendung im professionellem Bereich. Genesung als individueller Prozess, wo Wohlbefinden, Lebensqualität, Selbstbestimmung, Erfahrung der Selbstwirksamkeit und Selbstverantwortung eine immer größere Rolle spielen.
Es gehört immer mehr zum Selbstverständnis der psychiatrischen Hilfeleistung, dass Menschen in ihrer Selbstbefähigung unterstützt werden und ihnen alle Informationen und Hilfestellungen gegeben werden, um ein persönliches Wachstum, die Befähigung zum Umgang mit ihrer Verletzlichkeit/Störung, wie auch zum Umgang mit evtl. neuen Krisen zu erreichen. Das verschreiben von Medikamenten ist dabei nur ein Teilbereich eines viel größeren Bereichs, dass verschiedene Bausteine kennt, um Stabilität herzustellen und Wachstum zu ermöglichen.
Dazu gibt es viele Veröffentlichungen im Fachbereich Psychiatrie (und nicht in der Esoterik-Ecke), sowie Studien und Erfahrungen von Fachpersonen in der psychiatrischen Praxis. Das Parternalistische Verständnis, mag bei dem einen oder anderen Kollegen noch bestehen, aber es weicht zunehmend der praktischen Erfahrung und Erkenntnis der anderen KollegInnen auf diesem Gebiet, sowie den Erfahrungen von vielen betroffenen Menschen.
Was hier also von einigen als "extrem gefährlich" angesehen wird, ist in vielen psychiatrischen Dienstleistung schon gelebter Alltag.
Viele Grüße Heike
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Ich bin ein Mensch mit vielen Farben und Facetten zeitweise unterbrochen durch unipolar depressiven Phasen, im MD-Forum schon seit 2002 vertreten.
"Recovery zielt nicht auf ein Endprodukt oder ein Resultat. Es bedeutet nicht, dass man ›geheilt‹ oder einfach stabil ist. Recovery beinhaltet eine Wandlung des Selbst, bei der einerseits die eigenen Grenzen akzeptiert werden und andererseits eine ganze Welt voller neuer Möglichkeiten entdeckt wird. Dies ist das Paradoxe an Recovery: Beim Akzeptieren dessen, was wir nicht tun oder sein können, beginnen wir zu entdecken, wer wir sein können und was wir tun können" (Patricia Deegan 1996).