Ich verstehe und kenne das Problem. Ich sehe das auch als gar nicht so problematisch an, wenn ich mich selbst als irgendwie defizitär oder unzulänglich sehe. Bin aber relativ schnell tief verletzt, wenn ich von anderen Menschen so hingestellt oder gesehen werde. Entsprechende Zuschreibungen bekam ich schon häufiger von anderen Menschen und in manchen Fällen war es so heftig, dass ich mich von ihnen getrennt habe. Etwa dann, wenn sie mich allzu sehr defizitär sehen wollten. In einem Fall war das auch so, dass ein Bekannter auch meine Art zu leben nur deshalb ausufernd problematisch sprach, weil sie seinen persönlichen Vorstellungen nicht entsprach.
Unterm Strich meine ich aber ist es so, dass ich mich nicht als generell weniger leistungsfähig oder gar "wert" sehe als andere. Sondern ich habe in gewissen Bereichen Defizite und in anderen Bereichen Kompetenzen. Ich will dazu mal eine Bekannte anführen, bei der vielleicht besonders deutlich wird, wie das aussehen kann und warum das kein Problem darstellen muss. Eine Bekannte von mir bekommt eine Vollzeitstelle auf dem ersten Arbeitsmarkt gestemmt. Sie ist mit der Führung ihres Haushalts aber gleichsam derart überfordert, dass ihr eine Haushaltshilfe zugestanden wurde (Ich glaube, die konnte sie sich mittels Zuspruch einer Pflegestufe über die Krankenkasse organisieren und bekommt sie deshalb über diesen Weg bezahlt). Das Eine kann sie eben gut und das Andere weniger. Aber so ein Geflecht ist Stärken und Schwächen gibt es ja bei jedem, nur das es immer individuell etwas anders verteilt ist.
In der Systemtheorie Niklas Luhmanns heißt es dazu, dass eine Gesellschaft dadurch funktioniert und aufrecht erhalten wird, dass verschiedene Menschen und Subsysteme der Gesellschaft verschiedene Funktionen ausfüllen (Hier sinngemäß wiedergegeben). Niemand muss alles können und es muss noch nicht einmal jemand sehr viel können. Bei einer Putzfrau reicht es ja, wenn sie richtig gut putzen kann und bei einer Kassiererin, wenn sie richtig gut an der Kasse funktioniert. Ein Professor, der an einer Universität tolle Vorlesungen hält, kann vielleicht weder anständig putzen, noch anständig die Rolle eines Kassierers im Discounters ausfüllen. Muss er ja aber auch nicht. Götz Werner, der Gründer der dm drogeriemarkt Kette spricht KEINE einzige Fremdsprache. Ist das ein Problem? Nein! Nur dann, wenn er als Übersetzer von Büchern oder Dolmetscher hätte arbeiten wollen. Oder in einem anderen Bereich, wo das Beherrschen einer Fremdsprache eine Notwendigkeit gewesen wäre oder ist. Ich beherrsche übrigens auch keinerlei Fremdsprachen.
Ich meine, gerade durch die Störung erhält man auch gewisse Einsichten und wichtiges Erfahrungswissen, die man ohne Betroffenheit von der Störung nie erlangt hätte. Und das sind auch auf gewisse Weise wichtige Kompetenzen, mit denen man anderen Menschen weiterhelfen kann.