Mir fällt vor allem auf, dass Julian (J) davon auszugehen scheint, dass alle Menschen hier dumm sind und blind den Aussagen ihrer Psychiater folgen. Das Diagnosen angenommen werden, ohne sie zu hinterfragen. Und das Psychopharmaka geschluckt werden, ohne deren Notwendigkeit infrage stellen zu können. Und das er eine Art Auserwählter sei, der uns alle auf den richtigen Weg führen müsse.
Solche Vorstellungen kenne ich von mir selbst nur aus meinen manisch-psychotischen Phasen. Diesen Glauben, die ultimative Lösung für alle zu kennen und alle auf den richtigen Weg führen zu können. Aber im Nachhinein war das erstmal falsch und dann auch für meine Mitmenschen einfach nur nervig. Denn dieses Denken, dass alle auf dem falschen Weg seien, nur man selbst nicht, ist auch untrennbar mit viel Abwertung der Mitmenschen, dem Absprechen von der Kompetenz und ein Herabsehen auf diese verbunden. Und diese Überheblichkeit und dieses Herabblicken auf uns alle empfinde ich auch, wenn ich Julians Zeilen lese.
Ich denke (im Gegensatz zu Julian), der gewöhnlichere und häufigere Weg ist, dass jemand seine Diagnose erstmal nicht annehmen will und sie erst nach einer gewissen einsieht. Weil es eine Etikett ist, was man nicht gern auf sich kleben hat. Und ich gehe auch davon aus, dass die Meisten hier entweder schon von Anfang an ohne Medikamente zu leben versuchten oder ein Leben ohne Psychopharmaka im Laufe der Zeit mal ausprobiert haben. Und erst dann Medikamente zu nehmen begannen oder erneut nahmen, wenn sie die Erfahrung machen, dass dies nicht gut ging. Ich glaube eher nicht, dass sich viele Menschen hier einfach sagten: "Der Arzt hat gesagt, ich brauche diese Medikamente und nur deshalb nehme ich die nicht." (Auch wenn es möglich sein mag, dass Einzelne so denken)
Meiner Meinung nach sollte man jedem Mensch seinen Weg lassen oder sich darauf beschränken aufzuzeigen, was für einen selbst gut funktioniert. Statt andere allzu sehr belehren oder bekehren zu wollen...