@ VanGogh
Beschäftigungen, die mir einen Sinn und Grund zum Aufstehen geben, habe ich auch ohne Werkstatt. Das war für mich kein Beweggrund. Es ist ja nicht so, dass ich nicht schon über sehr begrenzte Zeit in der Werkstatt war und dort mitgearbeitet hätte. Ich hatte über einen längeren Zeitraum verteilt insgesamt vier Wochen Praktikum in verschiedenen Bereichen der Behinderten-Werkstatt gemacht, weil die Werkstatt immer wieder als Weg für mich angedacht war und dann doch wieder letztlich verworfen wurde.
Was ich dort empfand, war stets das Gegenteil von Sinn. Schon dadurch, dass es (von meiner Umwelt) nicht als "richtige Arbeit" angesehen und praktisch so gut wie überhaupt nicht finanziell vergütet wird. Was über verschiedene Wege geschieht. Etwa dadurch, dass jemand, der keine drei Stunden auf dem ersten Arbeitsmarkt schafft, acht Stunden in der Werkstatt zugemutet werden können. Eben mit dem Argument, dass es ja keine "richtige Arbeit" sei. Oder dadurch, dass man keinen Mindestlohn erhält und das damit begründet wird, dass man ja kein "Arbeitnehmer", sondern ein sogenannter "Rehabilitand" (Toller Begriff!) sei.
@ VanGogh
Du hast zwei Punkte angesprochen, die ich für sehr wichtig halte:
> Ich finde es z.B. schon einen Unterschied, ob ich
> als Akademiker in einer WfB den ganzen Tag Briefe
> frankiere und Blumen aus farbigen Stoffe bastele
> oder als jemand, der schon früher
> Hilfstätigkeiten gemacht hat.
Ich denke, dass ist ein wesentlicher Aspekt bei meiner Unzufriedenheit. Es ist ein besonders schlimmes Gefühl, wenn man meint, man könne der Welt in anderer Weise mehr geben und dann in der Behinderten-Werkstatt "verheizt" wird. Es gibt durchaus auch Menschen, die mit ihren Tätigkeiten in der Werkstatt sehr zufrieden sind. Und ich meine, das liegt sehr wahrscheinlich daran, dass diese dann nicht das Gefühl haben, auf anderen Wegen etwas viel Besseres für die Gesellschaft leisten zu können. Aber vielleicht täte es mir generell gut, von diesem Leistungs-Denken weg zu kommen.
> Also Monotonie wäre bei mir keine Garantie.
> Einmal hatte ich einen Ein-Euro-Job. Der war so
> langweilig, daß ich es kaum ertragen konnte, und
> ich wurde manisch.
Finde, dass du da einen ganz wichtigen Aspekt ins Spiel gebracht hast, den ich so gar nicht auf dem Schirm hatte und nun erst sehe. Wenn ich zurückdenke, war es bei mir auch immer eine vorige Unzufriedenheit mit mir oder meinem Leben, die der dann folgenden Manie erst den Weg geebnet hat. Ich hatte mal gelesen, dass es beim Absetzen der Medikamente wichtig sei, ein Ziel zu haben. Das nicht das Absetzen das Ziel sein könne, sondern man vielmehr noch darüber hinaus ein Ziel haben müsse. So... schaue ich auch, das ich mir Aufgaben vornehme.
Man liest ja auch (wenn auch selten), dass eine Manie eine Flucht aus einer unerträglichen Realität sein könne. In Bezug auf Psychosen hatte ich das schon häufiger gelesen, in Bezug auf Manien seltener, aber doch schon auch.
Ich denke auch, dass ich längerfristig mit dem leben könnte, was ich jetzt habe. Selbst ohne den Zuverdienst, den mir die Werkstatt bietet. Insofern mache ich mir keinen allzu großen Kopf, was das Alter und die Rente anbelangt. Meine Sorge ist lediglich, dass im Laufe der Zeit und mit dem Älterwerden die Anzahl der Kleinigkeiten wächst, die man so braucht und die man nicht unbedingt bezahlt bekommt. Es gibt ja heute schon ältere Menschen, die sagen, ohne sich etwas dazu zu verdienen oder Pfandflaschen sammeln kämen sie gar nicht über die Runden. Und es ist nicht sicher, dass es in Zukunft besser wird.
Ganz so verkehrt oder unfair fände ich es nicht, wenn die Tätigkeit in der Werkstatt auf eine bessere Rente hinaus liefe. Denn dann könnte man sich immerhin noch sagen: "Ich arbeite hier für einen Hauch von gar nichts in der Gegenwart, bekomme dafür dann aber wenigstens später eine gute Rente." Tatsächlich war das für mich lange Zeit ein Argument, was für die Werkstatt anstelle ehrenamtlicher Arbeit mit Aufwandsentschädigung oder eines 450-Euro-Jobs gesprochen hat. Erst durch ein wenig Beschäftigung mit dem Thema Rente fing ich zunehmend an, an dem Argument "Behinderten-Werstatt für gute Rente" zu zweifeln.