@ Caglar
Danke für deine freundliche Rückmeldung.
Ich versuche immer, mich möglichst differenziert auszudrücken und weder ein "Jeder sollte absetzen." noch ein "Jeder sollte seine Medikamente einnehmen." zu predigen. Weil ich mir offen gestanden selbst extrem unsicher bin, welcher Weg der günstigere ist. Was letztlich von Fall zu Fall anders sein wird.
Zwar hört man immer mal wieder, der häufigste Grund für Rückfälle sei das Absetzen der Medikamente. Mit Medikamenten sei man ja immer auf der sicheren Seite usw.. Ich weiß aber auch nicht, wie viele Menschen sich einfach nur sagen "Ich nehm einfach mal keine Medikamente mehr und kucke, obs funktioniert." und wie viele Menschen tiefgreifend reflektieren, was sie in der Vergangenheit in ihre Phasen reingeritten hat, aktiv etwas zur Verhinderung erneuter Phasen tun usw.. Unter diesem Aspekt wäre auch eine Statistik relativ wenig aussagekräftig für mich. Vielleicht geht das Medikamentenabsetzen in neunzig Prozent der Fälle schief. Vielleicht ist es aber auch so, dass genau diese neunzig Prozent, bei den es schief, sich sagen: "Ich habe diese Diagnose überhaupt nicht und deshalb brauche ich die Medikamente gar nicht." oder sogar "Ich will wieder manisch und psychotisch werden, mir hat dieser Zustand gefallen." (Krankheitseinsicht und kritisches Betrachten meiner Phasen hat bei mir auch sehr lange gebraucht)
Mir fallen zum Thema Medikamente immer vier Bekannte von mir ein, die drei Positionen ganz gut vertreten. Ich kenn en Mann und ne Frau, die beide auf Neuroleptika eingestellt und es schon dennoch seit Jahren schaffen, in Vollzeit auf dem ersten Arbeitsmarkt arbeiten zu gehen. Das zeigt für mich schon mal, dass die Einnahme von Medis die Leistungsfähigkeit nicht zwangsläufig überkrass einschränken muss (Ich hab mir das schon manches mal selbst eingeredet - Aber ich glaube, die Einschränkungen durch meine Tabletten sind zumindest inzwischen weniger extrem, als ich es mir eingestehen will). Dann gibt's nen Dritten, der schon etwas älter ist und mir sagte, er habe im Laufe der Jahre schon unzählige Absetzversuche gemacht. Alle gingen schief und hätten letztlich nochmals in der Psychiatrie geendet. Weshalb er inzwischen akzeptiert hätte, dass es ohne Medikamente nicht ging. Und ich kenn nen Vierten, der ne relative niedrige Dosis Amisulprid nimmt und sagt, er könne damit einigermaßen leben. Er sei ihm zu riskant, das, was er sich im Laufe der Zeit erarbeitet hat und die Position, die er gegenwärtig inne hat, aufs Spiel zu setzen (Er ist innerhalb der organisierten Psychiatrieerfahrenen sehr aktiv). Deshalb hat er schon seit vielen Jahren keinen Absetzversuch mehr gestartet. Es würde seiner Meinung nach sicher gehen, wenn er es extrem langsam mache. Er habe aber zu viel Schiss vor nem Rückfall und ginge das Risiko daher nicht ein..
Wie tschitta bemerkte, kann man die Situation eines anderen, den man nur übers Internet kennt, kaum richtig einschätzen. Und... sollte deshalb vorsichtig mit Empfehlungen sein.
Ergänzend ist meine Erfahrung, dass man denke ich auch selbst manchmal dazu neigt, seine eigene Sicherheit und Stabilität zu überschätzen. Zumindest hatte ich die Tendenz bei mir schon in der Vergangenheit häufig beobachten können.