Es war so Mitte 2009 herum, als ich den Psychiater darauf ansprach und er mir das antwortete, also schon eine ganze Weile her. Kann mich nicht mehr an die genaue Wortwahl erinnern. Aber er sagte so etwas wie das es auch schwer ist einzuschätzen, ob man etwas wirklich endgültig integriert hat und langfristig hinter sich lassen kann oder es nicht doch nochmals hoch kommen und einen überwältigen kann.
Für mich war mein erster Psychiatrieaufenthalt im Jahr 2007 mit Abstand das Schlimmste, was mir je passiert ist. Und ich meine... auch etwas, was mich in der Gegenwart irgendwo empfänglicher für Kritik und Belastungen macht. Da Versuche ich gerade einen guten Umgang mit zu finden. Schwanke da aktuell etwas dazwischen, mich eher dem Geschehenen zuzuwenden oder aber mich auf Ziele in der Zukunft zu konzentrieren, ob es dadurch auszublenden. Zuwendung (zur Vergangenheit) wäre meine ich aber die bessere Strategie als Abwendung (von der Vergangenheit).
Hatte es neulich mit meiner Psychologin darüber. Hab mich seit 2009 mit Traumatherapie befasst, wo ich mit relativ widersprüchlichen Aussagen konfrontiert. Manche predigen Stabilisierung, Stabilisierung, Stabilisierung und dann in ferner Zukunft mal Konfrontation (mit der traumatischen Erfahrung). Wobei diese Konfrontation oft gar nicht mehr notwendig sei. Dann gibt es Modelle wie die Zeitperspektiven-Therapie nach Zimbardo, die sich auf Traumata bezieht und in der Konfrontation überhaupt nicht vorgesehen ist. Und es gibt Traumatherapeuten, die im Gegensatz dazu dazu sagen: "Konfrontation steht im Vordergrund, sollte möglichst schnell und immer wieder gemacht werden." Diese Linie wird etwa von Ellen Bass und Laura Davis in ihrem Buch "Trotz allem" gefahren, dass viele Menschen als hilfreich empfanden.
Meiner jetzigen Meinung ist so ein Mittelding die richtige Lösung. Viktor Frankl (1905-1997) hat etwa seine Erfahrung im Konzentrationslager immer wieder thematisiert und darauf Bezug genommen. Gleichsam aber auch stetig in die Zukunft und Möglichkeiten in der Gegenwart geblickt. In seinem Buch "... trotzdem Ja zum Leben sagen. Ein Psychologe erlebt das Konzentrationslager" kann er sogar hilfreiche (Über)Lebebensstrategien gerade dadurch vermitteln, dass er seine KZ-Erfahrung als Beispiel für deren Anwendung heranzieht.
Denke das Dorothea Buck (geboren 1917 und noch nicht gestorben) zwischen 1936 und 1959 fünf Psychosen und anschließend (ohne Medikamente!) nie wieder eine hatte, hat auch sehr viel damit zu tun, dass sie ne ganz ähnliche Schiene fährt. Die Vergangenheit immer wieder thematisiert, darüber spricht und daran erinnert, sich gleichsam aber auch in der Gegenwart einsetzt und auf die Zukunft hin arbeitet. Sowohl vor als auch nach ihrem 1990 erschienen Buch "Auf der Spur des Morgensterns. Psychose als Selbstfindung" hat sie Texte zum Thema veröffentlicht. Und hat sich anderweitig im Bereich Psychiatrie engagiert. War z. B. sowohl an der Entstehung der "Psycho-Seminare" seit 1989 als auch der Gründung des Bundesverbands Psychiatrieerfahrener e. V. im Jahr 1992 beteiligt.
Auf die Art macht man denke ich auch eine Art "Reframing". Das Wort Reframing stammt aus der Psychotherapie und meint, etwas Negatives in einem neuen Kontext zu sehen und ihm dadurch eine positive Bedeutung geben zu können.
Ach ja. Beinahe hätte ich vergessen, darauf einzugehen, wie meine Psychologin antwortete. Sie meinte, der heute verbreitete Konsens in der Fachwelt sei, dass schnelle Konfrontation und viel Konfrontation wichtig sei. Und im Vordergrund stünde. Aber bei mir sei sie sich aufgrund meiner Diagnose und dem damit verbundenen Mangel an Stabilität nicht sicher, was der richtige Weg sei.
1-mal bearbeitet. Zuletzt am 10.07.18 09:15.