Punkt3 schrieb:
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> Kurz zur Erklärung, mein Bruder wurde auf eine
> Bipolare Störung diagnostiziert während er im
> Gefängnis war. Jetzt hat er eine Manische Phase
> und wurde aus dem Gefängnis entlassen und vorerst
> von meinen Eltern aufgenommen.
Allein die bevorstehende Entlassung aus dem Gefängnis könnte als Ereignis dazu geführt haben, dass dein Bruder manisch geworden ist. Es reicht nicht aus, eine Diagnose zu bekommen. Man muss sich mit der Krankheit auseinandersetzen, lernen, welche Situationen kritisch sein könnten um Phasen auszulösen. Veränderungen können kritisch sein, sowohl positive als auch negative.
> Mein Bruder ist vollkommen uneinsichtig und zeigt
> momentan nicht unbedingt seine beste Seite. Er
> nimmt zwar seine Medikamente, aber nicht
> regelmäßig und möchte, wie er sagt, sich jetzt
> an keine Regeln halten.
Klar, dass das jetzt so ist. Er hat den Punkt überschritten, wo er selber noch hätte aktiv gegensteuern können, nämlich zu Beginn der Manie, an dem Punkt, wo sie noch am anfluten war. Er muss sich mit seinen Frühwarnsymptomen auseinandersetzen. Das ist ein langer Prozess.
Gut wäre für die Zukunft, wenn nahestehende Personen da mitziehen und sich informieren.
> Ich habe jetzt schon einiges über diese Krankheit
> gelesen und auch versucht mir die eine Frage, die
> sich mir immer wieder stellt hier im Forum zu
> beantworten. Aber ich lese immer wieder
> gegensätzliche Meinungen.
Du hast hier Menschen, die mit der Krankheit konfrontiert sind, sei es durch ganz eigenes Erleben, sei es als Angehörige, die auch unmittelbar betroffen sind so wie du und dein Eltern jetzt auch. Da gibt es unterschiedliche Erfahrungen, Herangehensweisen und somit auch Meinungen. Hätten wir alle dieselben Erfahrungen und Meinungen, bräuchten wir das Forum nicht.
> Deshalb richte ich die Frage jetzt vor allem an
> euch Betroffene, die mit dieser Krankheit leben.
> Darf ich wütend auf meinen Bruder sein?
> In wie weit beeinflusst diese Krankheit, besonders
> in der Manische Phase das Denken und kann er sich
> dagegen wehren wenn er es wirklich will?
Natürlich darfst du wütend sein auf deinen Bruder. Ich wäre auch wütend, gerade auch wegen dem, was es für eine Belastung und gesundheitliche Folge für deine Eltern darstellt.
Ob das Sinn macht, steht auf einem anderen Blatt. Wenn er im Gefängnis einfach nur die Diagnose erhalten hat und Medikamente verordnet ist das jedoch viel zu wenig, um selber und eigenverantwortlich gut mit der Erkrankung umgehen zu können. Man braucht Wissen, um aus seinen vergangenen Erfahrungen lernen zu können. Das kann man sich auf unterschiedliche Art und Weise aneignen (Klinik /Tagesklinik mit Psychoedukation speziell für Bipolare, viel lesen, Austausch mit anderen erfahrenen bipolaren Menschen z.B. durch den regelmäßigen Besuch einer Selbsthilfegruppe, Veranstaltungen besuchen, das Forum hier, Therapie, Arzt, der bereit ist, viel zu erklären und zuzuhören)
Deine zweite Frage ist fast überflüssig. Wie die Manie sein Denken beeinflusst, erfährst du grad selber.
> Ich habe nämlich oft das Gefühl, dass er
> irgendwie einen "krankheitsbonus" ausspielt und
> sich die Sache einfacher macht, als sie ist...
Er fühlt sich gerade supertoll, ständig im Recht, bricht sprichwörtlich aus seinem Gefängnis aus. Ich weiß es natürlich nicht, aber ich glaube nicht, dass er das jetzt bewusst macht. Er ist manisch, fühlt sich unsterblich, unverwundbar, hat überirdische Energien. "Es kann nur einen geben", das ist sein Denken und Fühlen. Danach handelt er.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass er im Hinblick auf seine Bipolarität nicht gut auf die Entlassung aus dem Gefängnis vorbereitet war. Dass das eine große Gefahr für seine Stabilität darstellen kann, daran hat keiner gedacht. Darauf hätte man ihn vorbereiten müssen. Das wusste er selber nicht. Aber Psychiater, die ihm die bipolare Störung im Gefängnis diagnostiziert haben, müssen das wissen.
Somit kann er nur sehr bedingt etwas für seine jetzige Phase.
Wenn er runter ist von seinem manischen Trip, muss er anfangen, sich mit seiner Erkrankung auseinanderzusetzen. Jetzt in der Manie geht das leider nicht, weil er sich ja nicht krank fühlt. Das ist das wirklich fiese an Manien. Man fühlt sich so gut wie nie zuvor. Irgendwann wird dieser Zustand kippen. Und man kann nur hoffen, dass er in der Manie nicht (wieder) kriminell wird.
vielleicht merkt er doch irgendwann etwas und geht freiwillig in eine Klinik. Darauf habt ihr leider gerade jetzt kaum Einfluss.
Alles Gute
Friday
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Nicht alles, was schwankt, ist bipolar.
Hätte ich die Kraft nichts zu tun, ich täte nichts.
Man muss sich von sich selbst nicht alles gefallen lassen.